Das Recht muss nie der Politik, wohl aber die Politik dem Recht angepasst werden.
– Immanuel Kant
Das Recht des Stärkeren ist das stärkste Unrecht.
– Marie von Ebner-Eschenbach
Unsere Macht ist zerstörerisch. Wir können zwar die Schöpfung beenden und alle Menschen töten, aber wir können keinen einzigen Menschen erschaffen.
– Franz Alt
Sendungstext
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28.02.2020 | www.kla.tv/15785
Am 4. Februar 2020 sprach der UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, bei einer öffentlichen Veranstaltung im Royal National Hotel in London, welche von der „Kampagne gegen die Auslieferung von Julian Assange“ organisiert wurde. Prof. Nils Melzer ist Inhaber des Lehrstuhls für Menschenrechte an der Akademie für humanitäres Völkerrecht und Menschenrechte in Genf. Er ist ferner Professor für Internationales Recht an der Universität von Glasgow. Im November 2016 übernahm er den Posten des UN-Sonderberichterstatters für Folter und sonstige grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung. Der international bekannte Whistleblower und Wikileaks-Gründer Julian Assange sitzt seit Monaten im britischen Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh, davor hatte der 48-Jährige sich sieben Jahre lang in der ecuadorianischen Botschaft in London verschanzt. Im Jahr 2010 hatte die Enthüllungsplattform Wikileaks hunderttausende geheime Papiere vor allem zum Irak-Krieg ins Internet gestellt. Sie enthielten hochbrisante Informationen über die US-Einsätze in dem Land, darunter über die Tötung von Zivilisten und die Misshandlung von Gefangenen. Seither verlangen die USA die Auslieferung von Assange. Bei einer Verurteilung drohen ihm bis zu 175 Jahre Haft. Herr Melzer vertraute, wie der Großteil der Menschen in der westlichen Welt, der Rechtsstaatlichkeit und der freien Presse. Daher war er anfangs nicht gewillt, sich des Falles von Julian Assange anzunehmen. Er war der Überzeugung, dass es sich bei Assange um einen Vergewaltiger und Narzissten handle; wie eben von den Medien behauptet. Erst als er es wagte, sich sein eigenes Bild von der Lage zu machen, bemerkte er, dass etwas nicht stimmte. Im Mai 2019 besuchte Herr Melzer Assange mit zwei Ärzten im Gefängnis und stellte dabei eindeutige Anzeichen psychischer Folter fest. Er sandte einen Bericht an die britische Regierung, die sich fünf Monate in Schweigen hüllte und schließlich alle Vorwürfe zurückwies. In seiner Rede schildert der UN-Sonderberichterstatter, wie Assange durch das Veröffentlichen der geheimen Dokumente und Videos quasi ein Scheinwerferlicht auf die Kriegsverbrechen der US-Regierung gerichtet hat. Auch deren Rechtsbrüche unter der Maske des Rechts sowie die schweren Verletzungen der Menschenrechte wurden dadurch ans Licht gebracht. Doch dann wurde der Spieß umgedreht und Julian Assange wurde beleuchtet. In den Medien wurde nur noch über dessen Charakter und Fehler diskutiert und nicht mehr über die begangenen Verbrechen im Namen der US-Regierung. Trotz massiven Beweismaterials wurde niemand zur Rechenschaft gezogen. Stattdessen wird jetzt derjenige als Verbrecher verfolgt, der die Gräueltaten aufdeckt. Julian Assange enthüllte Folter, nun aber wird er selber gefoltert. Zurecht prangert der UN-Sonderberichterstatter in seiner Rede diesen Missstand an und ermutigt alle, den Blick wieder auf die wahren Verbrecher zu richten. Mit dem Schlusswort seiner eindrucksvollen Rede für Freiheit und Gerechtigkeit im Fall Julian Assange, verabschieden wir uns von Ihnen: „Also ich denke, dass es für uns allerhöchste Zeit ist, unsere eigenen Scheinwerfer einzuschalten und sie auf den Elefanten im Raum [gemeint ist der wirkliche Verbrecher] zu richten und aufzuhören, die Persönlichkeit eines Mannes zu diskutieren, der mehr als genug getan hat, um unserer Gesellschaft Dienste zu erweisen. Die Zeit ist gekommen, uns darüber klar zu werden, worum es hier geht. Wir können uns keine Staaten mit unkontrollierter Macht erlauben. Menschen können mit unkontrollierter Macht nicht umgehen. Deswegen haben wir die Gewaltenteilung, deswegen haben wir das System gegenseitiger Kontrolle geschaffen. Aber diese Kontrollinstanzen, diese Zweige von Staat und Regierung tendieren dazu, miteinander zu kollaborieren, wenn wir sie nicht überwachen. Und darum haben wir die freie Presse, die die Aufgabe hat, genau das zu tun. Aber eine Presse, die das nicht tut, ist nicht frei. Sie ist überhaupt keine Presse. Sie ist nur eine Public-Relations-Abteilung dieser Regierungen. Daher ist das Entstehen von Wikileaks nur die natürliche Konsequenz der Tatsache, dass die Medien nicht ihre Arbeit tun. Weil irgendjemand die Öffentlichkeit informieren und ermächtigen muss. Und jetzt ist es an uns, in die Bresche zu springen. Ja, es geht hier um Julian Assange. Aber es geht noch vielmehr um Sie alle und Ihre Kinder und Ihre Familien. Werden Sie in 20 Jahren immer noch das Gefühl haben, die Wahrheit über das erfahren zu können, was Ihre Regierung tut? Oder wird es dann zum Verbrechen geworden sein, Sie darüber zu informieren, was Ihre Regierung mit Ihren Steuergeldern anderen Menschen antut, die sich keinerlei Fehlverhaltens schuldig gemacht haben. Es liegt also an uns, wir müssen unsere eigenen Scheinwerfer in die Hand nehmen und sie auf den Elefanten richten.“
von rh.
https://www.youtube.com/watch?v=kha_5G70pi0
https://de.wikipedia.org/wiki/Nils_Melzer
https://www.tagesspiegel.de/politik/verfahren-gegen-wikileaks-gruender-europarat-lehnt-auslieferung-von-assange-an-usa-ab/25564188.html
https://www.deutschlandfunk.de/wikileaks-gruender-vor-gericht-es-wird-nicht-nur-ueber.724.de.html?dram:article_id=470584
https://www.deutschlandfunk.de/der-fall-julian-assange-glaubwuerdigkeit-des-rechtsstaats.2907.de.html?dram:article_id=469719