Ungehorsam der Türkei gegenüber Washington – mögliche Erklärung für Putschversuch?

Sendungstext
herunterladen

PDF (.pdf)

Word (.docx)

21.07.2016 | www.kla.tv/8673

Der gescheiterte Putschversuch in der Türkei vom 15. Juli 2016 könne ein Signal an Erdoğan gewesen sein, da er ungehorsam gegenüber den US-amerikanischen Führungskräften gewesen sei. So beurteilte es der deutsche Auslandsexperte Christoph Hörstel in einem Interview, das der Radiosender ParsToday – ehemals „Iran German Radio“ – mit ihm führte (http://www.kla.tv/8657). Zitat Hörstel: "Das ist Washingtons Politik, da wird nicht diskutiert, da wird auch nicht Freundschaft gepflegt, da geht’s nicht um Partnerschaft, da geht’s eindeutig um Gehorsam ..." Im Syrienkrieg hatte die Türkei bislang mit den USA kooperiert, die ihre Luftangriffe gegen Stellungen des Islamischen Staats IS von der NATO-Luftwaffenbasis im türkischem Incirlik aus führten. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die Türkei seit Beginn des Putschversuches bis heute den Strom zur Incirlik-Basis ausgeschaltet hat. Gründe dafür sind bislang nicht bekannt. Was jedoch bekannt ist und auf einen Ungehorsam der Türkei gegenüber Washington hindeutet, ist die Tatsache, dass sich der türkische Außenminister Mevlüt Cavusoglu und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow Anfang Juli in Sotschi/Russland getroffen hatten. So berichteten die „Deutschen Wirtschafts Nachrichten“, kurz DWN, am 14. Juli. Beide Seiten einigten sich auf eine gemeinsame Haltung bezüglich der al-Nusra-Front, die zu den stärksten bewaffneten Söldnerverbänden im Syrien-Konflikt zählt. Cavusoglu sagte nach dem Treffen, dass die al-Nusra-Front ohne Zweifel eine Terror-Organisation sei und als solche behandelt werden müsse. Zitat DWN: „Lawrow sagte: „Wir haben uns mit Cavusoglu darüber unterhalten, dass die von den USA unterstützten bewaffneten Oppositionellen, die sich in den Gebieten der al-Nusra-Front befinden, ebenfalls als Terroristen einzustufen seien. Cavusoglu teilt diese Ansicht.“, so wurde Lawrow von der türkischen Zeitung Milliyet zitiert. Zuvor hatte die Türkei darauf bestanden, dass die bewaffneten Oppositionellen, die sich in den Gebieten der al-Nusra-Front befinden, nicht als Terroristen eingestuft werden.“ Bemerkenswert sei, dass die al-Nusra-Front, die Freie Syrische Armee (FSA) und weitere von den USA unterstütze Söldnertruppen, die in der Region Aleppo aktiv sind, seit dem diplomatischen Durchbruch zwischen Ankara und Moskau massive Rückschläge erleiden mussten. Entscheidend könnte sein, dass die Söldner seither keine Unterstützung mehr von der Türkei im Kampf in Syrien erhalten. Die wichtigste Versorgungsroute der internationalen Söldner, die sich im Norden von Aleppo befindet und bis in die Türkei reicht, sei von den Russen und Syrern gekappt worden, so die DWN. Es habe keinerlei Proteste oder Vorwürfe aus der Türkei gegeben. Die türkische Oppositionszeitung Cumhuriyet bewertete die Einigung zwischen Cavusoglu und Lawrow als positive Entwicklung und spricht sogar davon, dass die Türkei ihre Syrien-Politik an nur einem Tag um „180 Grad“ verändert hätte. Cumhuriyet berichtete zuvor über mutmaßlich illegale Waffenlieferungen mittels Lastwagen des türkischen Geheimdienstes MIT, die für terroristische Söldnertruppen in Syrien bestimmt waren. Hinzu kommt ein weiterer Hinweis, der auf einen Ungehorsam der Türkei gegenüber der US-amerikanischen Politik hindeutet: Gemäß dem britischen Nachrichtenportal „The Middle East Eye“ sagte der türkische Premier Binali Yildirim am 18. Juli, dass das „grösste Ziel“ der Türkei die Wiederherstellung von guten Beziehungen mit Syrien sei. Yildirim sagte: „Es ist unser größtes und unabänderliches Ziel: Die Entwicklung guter Beziehungen zu Syrien und zum Irak und all unseren Nachbarn rund um das Mittelmeer und das Schwarze Meer“. Diese Ankündigung widerspricht vehement der US-amerikanischen Chaos- sowie Teile- und Herrschepolitik im Nahen Osten und dürfte in Washington kaum auf offene Ohren gestoßen sein. Wer auch immer hinter dem gescheiterten Putschversuch steckt, eines dürfte für weitere Entwicklungen maßgebend sein: Erdoğans Haltung gegenüber den USA. Wird er weiterhin mit Washington kooperieren? Zur Erinnerung: Schon für manche Staatsoberhäupter bedeutete es ihr Todesurteil, als sie ihre „Kooperation“ mit den USA fallen ließen und gegen deren Interessen handelten. Zwei der bekanntesten Beispiele sind der irakische Staatspräsident Hussein und das libysche Staatsoberhaupt Muammar al-Gaddafi. Auch in der Türkei rund um Erdoğan sind die weiteren Entwicklungen aus diesem Blickwinkel zu betrachten: Für oder gegen die Interessen US-amerikanischer Politik.

von dd.

Quellen/Links: http://parstoday.com/de/news/world-i11233-interview_mit_christoph_h%C3%B6rstel
http://alles-schallundrauch.blogspot.ch/2016/07/strom-zur-incirlik-basis-immer-noch.html
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2016/07/14/aleppo-befreiungs-schlag-der-islamisten-und-soeldner-gescheitert/
http://www.wsws.org/de/articles/2016/07/19/ussy-j19.html