Diese Website verwendet Cookies. Cookies helfen uns bei der Bereitstellung unserer Dienste. Durch die Nutzung unserer Dienste erklären Sie sich damit einverstanden, dass wir Cookies setzen. Bei uns sind Ihre Daten sicher. Wir geben keine Ihrer Analyse- oder Kontaktdaten an Dritte weiter! Weiterführende Informationen erhalten Sie in der Datenschutzerklärung.
Geht es der KESB wirklich um den Schutz von Hilfsbedürftigen?
Immer wieder gerät die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB) in die öffentliche Kritik: Auch bei Kla.TV ist eine Klage eingereicht worden, die erneut große Fragen zu der Arbeitsweise der KESB aufwirft und Missstände aufdeckt. Ein Zeuge berichtete von einem 42-jährigen, der seit 4 Jahren vom Sozialamt betreut wurde. Die KESB und das Sozialamt verweigerten ihm trotz psychischer und physischer Verwahrlosung jegliche Hilfe. Wieso ignorieren die Schutzbehörden solch drastische Fälle? [weiterlesen]
Im Januar 2013 hat in der Schweiz die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, kurz KESB, ihre Arbeit aufgenommen. Anstelle von Gemeindebehörden mit den vom Volk gewählten Behördenmitgliedern entscheiden seitdem Juristen und Sozialarbeiter über Fälle, die sie nur aus der Aktenlage kennen. Die Professionalisierung der ehemaligen Vormundschaftsbehörde gerät immer wieder in die öffentliche Kritik: Rentner seien gegen ihren Willen ins Altersheim gebracht, Kinder unverhältnismäßig von ihren Eltern weggenommen und Gemeinden an den Rand des finanziellen Ruins gebracht worden. Oft wurde laut, dass anstelle von gesundem Menschenverstand die Ausführung von bürokratischen Befehlen im Zentrum stehe. Kla.TV berichtete zum Beispiel in den Sendungen „KESB – Kontrollinstanz ist eine Farce“ (www.kla.tv/9294) und „Von der bürgernahen Laien- zur bürgerfernen Zentralbehörde“ (www.kla.tv/9253) darüber.
Vor einiger Zeit nun ist bei Kla.TV eine Klage eingereicht worden, die erneut große Fragen zu der Arbeitsweise der KESB aufwirft und die Missstände beim Namen nennt. Ein Handwerker musste in einer Mietwohnung einen Auftrag ausführen. Der Vermieter der Wohnung kündigte ihm bereits am Telefon an, beim Mieter handle es sich um einen Messie. Mit diesem Begriff bezeichnet man Menschen mit einer schwerwiegenden Unfähigkeit, in der eigenen Wohnung Ordnung zu halten und Alltagsaufgaben zu organisieren. Doch hören Sie selbst, was der Handwerker berichtet:
„Als ich dort ankam, war ich entsetzt. Das hatte bei weitem nichts mehr mit einem Messie zu tun. Was ich dort sah, war Verkümmerung im Endstadium. Der 42-jährige Mann ist seit vier Jahren ein Klient vom Sozialamt. Der Strom wurde bereits abgestellt und der Geruch durch die bereits übergelaufene Badewanne und WC war unerträglich. Als ich dann zum Sozialamt ging und professionelle Unterstützung verlangte, wurde ich abgewiesen. Am Freitag konnte ich nicht mehr länger zusehen, wie sie diesen Mann übers Wochenende sich selbst überlassen wollten. Ich schrie auf dem Sozialamt um Hilfe, doch sie schauten weg und drohten mir, die Polizei zu rufen. Ich ging zurück zu ihm und der Hausmeisterin, die auch schon zurückgewiesen wurde. Gemeinsam suchten wir eine Lösung. Auf einmal kam mir in den Sinn, dass es für solche Fälle die Notfall-Psychiatrie gibt. Die Hausmeisterin und ein Nachbar kümmerten sich um Kleidung sowie Nahrung und einer frischen Dusche, bevor sie den Mann in das Spital brachten. Es wurde ein schwerer Tumor diagnostiziert und die sofortige Operation eingeleitet. Er liegt jetzt im Koma und wird vielleicht sterben. Ich bitte um Hilfe, ich habe alles dokumentiert mit Fotos und den E-Mail-Verkehr mit dem Sozialamt. Die KESB macht nichts Gutes trotz bereits eingeleiteter Gefährdungsmeldung vom Vermieter.“
Soweit der Zeugenbericht. Wir fassen zusammen: Da befindet sich ein Mann in einer existenziellen Notlage, ist seit vier Jahren dem Sozialdienst bekannt und die Sozial- und Schutzbehörden reagieren mit Gleichgültigkeit, wenn sie durch aktive Bürger über seinen schlimmen Zustand informiert werden. Mehr noch – auf die Hartnäckigkeit des Handwerkers drohen sie mit der Polizei.
Dass die KESB in diesem Fall nicht sofort eingeschritten ist und für angemessene Unterstützung und Versorgung des verwahrlosten Mannes gesorgt hat, erstaunt doch sehr. Steht diese Behörde doch sonst immer in der Kritik, bei Gefährdungsmeldungen insbesondere bei Kindern rigoros zu intervenieren. Nicht selten werden Kinder durch KESB-Mitarbeiter in Begleitung der Polizei zuhause oder im Unterricht abgeholt und fremdplatziert. Bekannt wurde unter anderem der Fall eines achtjährigen Kindes, das die KESB durch die Polizei in der Schule abführen ließ. Der Mutter wurde vorgeworfen, sie erfülle ihre Mutterpflichten nicht, da sie zu 100 Prozent arbeite. Der Junge wurde jedoch tagsüber von seiner Großmutter versorgt.
Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb im Namen von Schutzmaßnahmen einerseits Kinder aus nicht angemessenen Gründen den Eltern weggenommen werden und andererseits in Fällen wie diesem verwahrlosten Mann nicht geholfen wird. Besteht hier vielleicht ein Zusammenhang mit den unterschiedlich hohen finanziellen Entschädigungen? Im Kanton Bern beispielsweise ist die Fallpauschale bei Kinderschutzmaßnahmen doppelt so hoch als die Fallpauschale im Erwachsenenschutz. Kinderschutzmaßnahmen sind folglich für die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und damit für die gesamte Sozialindustrie finanziell interessantere Aufträge. Die von der KESB angeordneten Schutzmaßnahmen werden durch unzählige Sozialarbeiter, Juristen, private Betreuungsfirmen sowie Heime und Betreuungseinrichtungen aller Art ausgeführt. Der Schweizer Autor und Politiker Olivier Kessler bringt es auf den Punkt: „Eine riesige Sozialindustrie ist aus dem Boden gewachsen, die sich an den neuen lukrativen Möglichkeiten erfreut. Diese ,sozialen‘ Institutionen haben nicht primär den Menschen, sondern das Geldverdienen im Auge. Das Paradoxe daran: Je stärker die Sozialindustrie wächst, desto schneller zerfällt die zwischenmenschliche Wärme in der Gesellschaft.“ Es ist an der Zeit, dass bei den Juristen und Sozialarbeitern dieser Behörde wieder die zwischenmenschlichen Beziehungen und die echten Bedürfnisse der Schutzbedürftigen im Zentrum stehen. Nur unter diesen Vorrausetzungen können vorhandene Probleme gelöst und Notlagen beseitigt werden.
Sendungstext
herunterladen
04.04.2018 | www.kla.tv/12229
Im Januar 2013 hat in der Schweiz die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde, kurz KESB, ihre Arbeit aufgenommen. Anstelle von Gemeindebehörden mit den vom Volk gewählten Behördenmitgliedern entscheiden seitdem Juristen und Sozialarbeiter über Fälle, die sie nur aus der Aktenlage kennen. Die Professionalisierung der ehemaligen Vormundschaftsbehörde gerät immer wieder in die öffentliche Kritik: Rentner seien gegen ihren Willen ins Altersheim gebracht, Kinder unverhältnismäßig von ihren Eltern weggenommen und Gemeinden an den Rand des finanziellen Ruins gebracht worden. Oft wurde laut, dass anstelle von gesundem Menschenverstand die Ausführung von bürokratischen Befehlen im Zentrum stehe. Kla.TV berichtete zum Beispiel in den Sendungen „KESB – Kontrollinstanz ist eine Farce“ (www.kla.tv/9294) und „Von der bürgernahen Laien- zur bürgerfernen Zentralbehörde“ (www.kla.tv/9253) darüber. Vor einiger Zeit nun ist bei Kla.TV eine Klage eingereicht worden, die erneut große Fragen zu der Arbeitsweise der KESB aufwirft und die Missstände beim Namen nennt. Ein Handwerker musste in einer Mietwohnung einen Auftrag ausführen. Der Vermieter der Wohnung kündigte ihm bereits am Telefon an, beim Mieter handle es sich um einen Messie. Mit diesem Begriff bezeichnet man Menschen mit einer schwerwiegenden Unfähigkeit, in der eigenen Wohnung Ordnung zu halten und Alltagsaufgaben zu organisieren. Doch hören Sie selbst, was der Handwerker berichtet: „Als ich dort ankam, war ich entsetzt. Das hatte bei weitem nichts mehr mit einem Messie zu tun. Was ich dort sah, war Verkümmerung im Endstadium. Der 42-jährige Mann ist seit vier Jahren ein Klient vom Sozialamt. Der Strom wurde bereits abgestellt und der Geruch durch die bereits übergelaufene Badewanne und WC war unerträglich. Als ich dann zum Sozialamt ging und professionelle Unterstützung verlangte, wurde ich abgewiesen. Am Freitag konnte ich nicht mehr länger zusehen, wie sie diesen Mann übers Wochenende sich selbst überlassen wollten. Ich schrie auf dem Sozialamt um Hilfe, doch sie schauten weg und drohten mir, die Polizei zu rufen. Ich ging zurück zu ihm und der Hausmeisterin, die auch schon zurückgewiesen wurde. Gemeinsam suchten wir eine Lösung. Auf einmal kam mir in den Sinn, dass es für solche Fälle die Notfall-Psychiatrie gibt. Die Hausmeisterin und ein Nachbar kümmerten sich um Kleidung sowie Nahrung und einer frischen Dusche, bevor sie den Mann in das Spital brachten. Es wurde ein schwerer Tumor diagnostiziert und die sofortige Operation eingeleitet. Er liegt jetzt im Koma und wird vielleicht sterben. Ich bitte um Hilfe, ich habe alles dokumentiert mit Fotos und den E-Mail-Verkehr mit dem Sozialamt. Die KESB macht nichts Gutes trotz bereits eingeleiteter Gefährdungsmeldung vom Vermieter.“ Soweit der Zeugenbericht. Wir fassen zusammen: Da befindet sich ein Mann in einer existenziellen Notlage, ist seit vier Jahren dem Sozialdienst bekannt und die Sozial- und Schutzbehörden reagieren mit Gleichgültigkeit, wenn sie durch aktive Bürger über seinen schlimmen Zustand informiert werden. Mehr noch – auf die Hartnäckigkeit des Handwerkers drohen sie mit der Polizei. Dass die KESB in diesem Fall nicht sofort eingeschritten ist und für angemessene Unterstützung und Versorgung des verwahrlosten Mannes gesorgt hat, erstaunt doch sehr. Steht diese Behörde doch sonst immer in der Kritik, bei Gefährdungsmeldungen insbesondere bei Kindern rigoros zu intervenieren. Nicht selten werden Kinder durch KESB-Mitarbeiter in Begleitung der Polizei zuhause oder im Unterricht abgeholt und fremdplatziert. Bekannt wurde unter anderem der Fall eines achtjährigen Kindes, das die KESB durch die Polizei in der Schule abführen ließ. Der Mutter wurde vorgeworfen, sie erfülle ihre Mutterpflichten nicht, da sie zu 100 Prozent arbeite. Der Junge wurde jedoch tagsüber von seiner Großmutter versorgt. Es ist nicht nachvollziehbar, weshalb im Namen von Schutzmaßnahmen einerseits Kinder aus nicht angemessenen Gründen den Eltern weggenommen werden und andererseits in Fällen wie diesem verwahrlosten Mann nicht geholfen wird. Besteht hier vielleicht ein Zusammenhang mit den unterschiedlich hohen finanziellen Entschädigungen? Im Kanton Bern beispielsweise ist die Fallpauschale bei Kinderschutzmaßnahmen doppelt so hoch als die Fallpauschale im Erwachsenenschutz. Kinderschutzmaßnahmen sind folglich für die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde und damit für die gesamte Sozialindustrie finanziell interessantere Aufträge. Die von der KESB angeordneten Schutzmaßnahmen werden durch unzählige Sozialarbeiter, Juristen, private Betreuungsfirmen sowie Heime und Betreuungseinrichtungen aller Art ausgeführt. Der Schweizer Autor und Politiker Olivier Kessler bringt es auf den Punkt: „Eine riesige Sozialindustrie ist aus dem Boden gewachsen, die sich an den neuen lukrativen Möglichkeiten erfreut. Diese ,sozialen‘ Institutionen haben nicht primär den Menschen, sondern das Geldverdienen im Auge. Das Paradoxe daran: Je stärker die Sozialindustrie wächst, desto schneller zerfällt die zwischenmenschliche Wärme in der Gesellschaft.“ Es ist an der Zeit, dass bei den Juristen und Sozialarbeitern dieser Behörde wieder die zwischenmenschlichen Beziehungen und die echten Bedürfnisse der Schutzbedürftigen im Zentrum stehen. Nur unter diesen Vorrausetzungen können vorhandene Probleme gelöst und Notlagen beseitigt werden.
von rg.
https://www.belex.sites.be.ch/frontend/versions/1167?locale=de
https://bazonline.ch/schweiz/standard/jeder-zehnte-kesbfall-ist-eine-fremdplatzierung/story/29520434
https://www.bernerzeitung.ch/schweiz/standard/Kritik-an-teurem-Kindesschutz/story/26256832
http://www.20min.ch/schweiz/ostschweiz/story/Behoerde-nimmt-Mutter-achtjaehrigen-Sohn-weg-27393103
https://olivierkessler.wordpress.com/2015/02/19/menschenwurde-schutzen-kesb-abschaffen/
Kommentar «Spalte rechts», Ulrich Schlüer, Schweizerzeit, Ausgabe vom 26. Mai 2017