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Podiumsdiskussion mit Tichys Einblick, ORF, eXXpress, ServusTV
Die libertatem Stiftung war der Veranstalter des „1. Internationalen Journalisten-Kongresses“, welcher Anfang September stattfand. Zweck dieser Stiftung ist unter anderem die Förderung der Meinungsfreiheit in sämtlichen Medien, die Förderung von kritischem Journalismus und der persönlichen Freiheitsrechte. Sie hören eine spannende Podiumsdiskussion zwischen Ferdinand Wegscheider (ServusTV), Roland Tichy (Tichys Einblick), Hans Bürger (ORF) und Richard Schmitt (eXXpress).[weiterlesen]
Vom 1. bis 2. September 2022 fand der „1. Internationale JournalistenKongress“ im Festspielhaus Bregenz statt. Dabei wurde angehenden Journalisten, Journalisten mit wenig Erfahrung und Studenten im Medienbereich die Möglichkeit geboten, sich mit international renommierten Journalisten zu treffen und auszutauschen. Veranstalter war die libertatem Stiftung mit Sitz in Ruggell (Liechtenstein). Ihr Stiftungszweck ist wie folgt: Die Förderung der Meinungsfreiheit in sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Medien, die Förderung von kritischem Journalismus, der persönlichen Freiheitsrechte sowie die Stärkung des Individuums im gesamten deutschsprachigen Raum.
Im Rahmen des Kongresses fand eine Podiumsdiskussion mit drei Chefredakteuren freier Medien und einem Leiter des ORF statt. Sehen Sie nun im Anschluss die gut 50minütige ungekürzte Podiumsdiskussion zum Thema: „Wie unabhängig sind unsere Medien?”. Die anschließende Fragerunde mit dem Publikum finden Sie im eingeblendeten Link im Abspann. An dieser Stelle bedanken wir uns beim Betreiber des YouTubeKanals „FrischerWind“, der die Podiumsdiskussion gefilmt und Kla.TV die Rechte für die Ausstrahlung gegeben hat.
Podiumsdiskussion
Teilnehmer:
Ferdinand Wegscheider (FW), ServusTV Roland Tichy (RT), Wirtschaftsjournalist Hans Bürger (HB), ORF
Richard Schmitt (RS), eXXpress
Gernot Hämmerle, Moderator der Podiumsdiskussion
Moderator: Schönen guten Abend, alle miteinander. Es freut mich, dass das Interesse so groß ist, dass so viele gekommen sind. Dominik, wir hatten ursprünglich geplant 30 bis 50 Zuseher. Schauen wir mal – jetzt sind es, glaub' ich, fast 100. Also super, dass so viel Interesse besteht. Es wird heute eine Podiumsdiskussion stattfinden. Ich sag' dazu dann noch ein paar Worte. Davor aber bitte ich Dominik Schatzmann, die Begrüßung noch vorzunehmen und ein paar Worte zu sagen. Dominik Schatzmann ist der Vorstand der libertatem Stiftung. Die libertatem Stiftung ist Financier dieses Kongresses. Hat das ermöglicht, dass dies stattfindet, hat es finanziert. Dominik, bitte!
Dominik Schatzmann: Sehr gerne, danke. Ja, sehr geehrte Damen und Herren, liebe angehende und erfahrene Journalisten, sollten ja auch wieder da sein. Weil nur zwei bis drei Minuten Redezeit vereinbart sind, was mir als Anwalt nicht so ganz leicht ist, kann ich leider nicht die ganzen persönlich Bekannten und Freunde jeweils einzeln begrüßen. Mich freut natürlich im Namen der Stiftung, dass so viele am heutigen Kongress dabei sind und dass die Diskussionsrunde auf so großes Interesse gestoßen ist. Es tut mir leid, dass wir am Schluss Absagen erteilen mussten, weil wir einfach, wie Gernot schon gesagt hat, zu viel Nachfrage dann hatten.
Es freut mich, dass so viele Menschen Interesse am Diskurs in Medien, aber auch über Medien, haben und daher auch teilweise von so weit angereist sind. Gerade die letzten Jahre haben uns gezeigt, wie wichtig so ein Diskurs ist bzw., dies möchte ich betonen, wäre. Und wie wichtig die Rolle der Medien, aber auch die Unabhängigkeit in der freien Berichterstattung und Recherche sind. Die libertatem Stiftung wurde vor mittlerweile dreieinhalb Jahren gegründet mit dem Ziel, die Meinungsfreiheit des kritischen, aber auch ehrbaren Journalismus zu fördern. Auch Medienschaffende sollten sich nämlich stets bewusst sein, zu was für Konsequenzen eine bestimmte Berichterstattung führen kann. Dass die Leser und Zuseher den Medien vertrauen, dass dieses Vertrauen aber durchaus auch – wie wir in der Vergangenheit gesehen haben – sehr erschüttert werden kann. Dass unvollständige und unrichtige Berichte teilweise nachhaltige Existenzen vernichten können. Dass gründliche Recherche, DoubleCheck der Quellen und andere Sachen wichtig sind und dass man auch drüber reden sollte, was macht guten Journalismus eigentlich aus. Und dazu hat man hoffentlich heute im Workshop einiges gelernt.
Und ja, natürlich darf man auch Medien selbst und deren Berichterstattung kritisch hinterfragen.
Wie unabhängig sind Medien, wenn es rein von den Inseraten, möglicherweise der öffentlichen Hand, abhängt oder wenn einzig und allein ein Mäzen dahintersteckt? Und was passiert, wenn politische Entscheidungsträger, wenn Medien politisch besetzt werden? Und eine wesentliche Frage: Wo liegt eigentlich die Trennung zwischen Berichterstattung und Meinungsmache in Medien?
Demokratie lebt zwar unweigerlich vom Austausch unterschiedlicher Meinungen, sollte Demokratie auch stets ein fairer Wettbewerb der besten Ideen sein. Nur, wer definiert heute: Was sind eigentlich FakeNews? Was sind die Probleme, über die man eigentlich diskutieren sollte? Warum finden überfällige Diskussionen nicht statt? Worüber wird berichtet, worüber wird nicht berichtet? Was ist, wenn Winnetou Filme vielleicht gar nicht so böse sind? All diese Themen wollen wir heute diskutieren und da möchte ich mich bei Gernot und seinem Team ganz herzlich bedanken für die Organisation und gleich das Wort einer hoffentlich spannenden Diskussionsrunde übergeben. Vielen Dank.
Moderator: Dankeschön, Dominik Schatzmann, Vorstand der libertatem Stiftung.
So, bitte noch Platz zu nehmen. Vielleicht eher bitte… Es sind da teilweise noch einzelne Plätze frei. Von den hinteren Reihen kann man sich bitte gerne noch nach vorne setzen. Da sind vier Plätze am Stück. Gerne bitte näher kommen, die hinteren Reihen waren eher als Ersatz noch gedacht. Oder wenn Sie sich dort hinten wohl fühlen, sollte auch passen.
So, also, wir fangen gleich an mit der Diskussion.
Ich möchte… ich setze mich jetzt und frage mal, sieht man halbwegs auf die Bühne? So gut’s geht. Sonst hört man die Referenten zumindest und die Namen sind ohnehin hier alle eingeblendet.
Ich werde zuerst ganz kurz noch die Podiumsdiskussionsteilnehmer vorstellen, obwohl sie eigentlich hinreichlich bekannt sind, aber ganz kurz noch was zu ihnen sagen. Nachher werden wir hier am Podium diskutieren, werden auf unterschiedliche Meinungen treffen, wie ich erwarte und nach herbekommt man auch im Publikum gerne die Gelegenheit, Fragen an die Podiumsdiskussionsteilnehmer zu stellen. Wird auch die eine oder andere kritische Frage kommen. So soll es sein. Und die Teilnehmer werden versuchen, da kurz, so gut es geht, drauf zu antworten. Jetzt beginne ich einfach mal links außen. Roland Tichy ist Wirtschaftsjournalist aus Deutschland
– ja, darf vielleicht noch kurz aufstehen – einer der renommiertesten Wirtschaftsjournalisten in Deutschland. War Wirtschaftsjournalist des Jahres, das war 2010, oder 2008 war es, glaub' ich, also wirklich ein Kapazunder. Im Moment bei „Tichys Einblick“, glaub’ (ich), Gründer, Geschäftsführer, Hauswart, also ziemlich alles, was es dort zu tun gibt. Wir freuen uns dann auf seine Sicht der Dinge zum Thema unabhängiger Journalismus. Jetzt gehen wir der Reihe nach durch.
Ferdinand Wegscheider, äh, ja, bitte auch aufstehen, einer der Pioniere – der Pionier des Privat fernsehens in Österreich. Kämpfte lange für das Privatfernsehen, dass das überhaupt möglich ist. Im Moment, oder seit einigen Jahren schon, Intendant bei ServusTV.
Zu meiner Rechten Hans Bürger vom ORF. Ja, hier muss ich auch nicht viel sagen. Der Mister Innenpolitik des ORF. Leiter der Innenpolitikredaktion im ORF, bei der „Zeit im Bild“, Sommergespräche geführt, alles Mögliche. Also eines der bekanntesten Gesichter des ORF nach außen. Und wir freuen uns über seine Ansichten heute Abend.
Richard Schmitt, er hat eine lange journalistische Geschichte. (Ich) glaube, angefangen hat er bei der KroneZeitung als allererstes und dann ist es über verschiedene Stationen gegangen. (Im) Moment aktuell eXXpress, eine Onlinezeitung, und immer auch stärker ein bisschen im Fernsehen dann präsent. Auch ein sehr kritischer Geist, umstrittener Geist und wir sind auch sehr gespannt, was Richard Schmitt heute uns alles zu sagen hat. Wird, denke ich, sehr spannend.
Gut, dann legen wir los mit der Diskussion.
Die Referenten oder die Podiumsdiskussionsteilnehmer darf ich bitten, wahrscheinlich das Mikrofon so die meiste Zeit in der Hand zu halten und bitte so am Griff und relativ nahe.
Ich würde vielleicht einmal mit einer kurzen Runde beginnen.
Richard Schmitt, können Sie vielleicht kurz sagen zwei, drei Sätze zu Ihrem Medium, was das macht und was ist der Beitrag Ihres Mediums für unabhängigen Journalismus
Richard Schmitt: Ja, also der eXXpress wurde ja auch genau aus diesem Grund gegründet, auch mit Hilfe der libertatem Stiftung, dass wir hier zu mehr Unabhängigkeit im Journalismus beitragen. Wir haben alle gesehen, ich war 32 Jahre bei der Krone und weiß da einiges oder wüsste einiges zu berichten, was es da mit Inseraten und mit Verbindungen zur Politik gibt. Und deswegen ist es so wichtig, dass man ein neues Medium gründet, auch für den gesamten österreichischen Markt, so wie ServusTV ja auch eine Neugründung war. Dass man hier unabhängig und komplett neu das aufstellt. Wir haben mittlerweile eine Million Unique Clients im Monat drauf. Wir sind in einem Wachstumsstadium. Wir sind 18 Monate jetzt am Markt. Die Seite wird rund um die Uhr ständig neu befüllt mit den aktuellen Berichten aus Österreich, aus der ganzen Welt, von Sport bis Kultur, alles. Und wir haben daneben oder parallel dazu einen Fernsehsender mit dabei und freuen uns natürlich, dass wir halt diese Synergie nutzen von der NewsSeite zum Fernsehsender und das läuft jetzt sehr gut und das ist glaub ich auch der Schlüssel, dass hier vielleicht auch andere einmal ermutigt werden, hier diesen Weg zu bestreiten in diese Unabhängigkeit und das zu versuchen. Es ist eine Menge Arbeit logischerweise. Es ist ein großes Risiko. Auch natürlich, wenn man sich hier wirklich auch unabhängig positioniert. Ich glaub', der Herr Wegschneider weiß das auch, wie brutal diese Geschäftswelt dann ist, wenn man unabhängig wirklich arbeitet. Und ja, also wir sind da auf gutem Weg, aber diese Unabhängigkeit halte ich für extrem wichtig. Hans Bürger vom ORF, auch dieselbe Frage im Prinzip – was der ORF ist und macht – versuchen Sie es in zwei Sätzen – das weiß man an sich eh. Was ist aus Ihrer Sicht der Beitrag des ORF zum Thema unabhängige Medien, wie wichtig ist da der ORF aus Ihrer Sicht?
Hans Bürger: Nur ganz kurz, bevor ich über das Unternehmen spreche, möchte ich einen Vorsatz noch anbringen. Schönes Doppel: Vorsatz und Vorsatz, also eine Vorbemerkung. Erstens einmal war ich wie der Richard auch bei der KronenZeitung, was vielleicht einige überrascht. Wir haben beide in Linz gearbeitet und darum kennen wir uns. Der „Ferri“ (Ferdinand Wegscheider), der war beim ORF, darum kenne ich ihn – damit wir das auch noch erledigt haben. Ich muss auch alle enttäuschen, die vielleicht glauben: „Na ja, ORF, der ist hundertprozentig über eine Partei da hineingekommen und eine Führungskraft geworden“. Nein, ich habe mitgetan bei dem Talentwett bewerb 1986, den damals noch der Gerd Bacher ausgerufen hat. Und da haben sich sehr viele Menschen beworben, nämlich 4.000, und in Oberösterreich 350. Und in Oberösterreich haben sie dann noch in einem sehr lustigen Verfahren – war wirklich gar nicht so einfach – zwei genommen, aber nicht, weil ich so wahnsinnig „g'scheit“ bin, sondern weil ich eben PrintErfahrung hatte von der KronenZeitung und ein Wirtschaftsstudium. Und sie haben damals jemanden gesucht als Nachfolge für den Kurt Rammerstorfer.
Das war mir jetzt deshalb wichtig, dies einzubegleiten, weil ich natürlich weiß, welchen Ruf der ORF zum Teil hat – ich komme aus Oberösterreich. Glauben Sie mir, da muss man auch einiges aushalten, wenn man so im Salzkammergut unterwegs ist, und gerade in Coronazeiten oder wann auch immer. Da musst du schon einiges aushalten, wenn's heißt: „Ich schau' nur den Wegscheider“. Ja, ob Gosar, wenn das stimmt, ob Gosar, [...] da schauen alle ServusTV und oe24. Das heißt, man hat es als ORF nicht so leicht. Was ist die Unabhängigkeit? Wir sind laut Gesetz zur Objektivität verpflichtet. Jetzt, ja, das ist eigentlich unser Grundsatz, und ich möchte eines schon auch noch dazu sagen: Ja, ich bin nie mit allem einverstanden, was im ORF passiert. Aber ich werde hier mit Sicherheit die Meinung vertreten, die mir bis Montag einen Job noch ermöglicht, ja. Weil, ja, ich möchte schon noch ein paar Jahre – es ist mir nämlich was passiert – und dann hör' ich schon wieder auf, ja – also ich schreibe ja auch Bücher und bin immer wahnsinnig offen bei so Diskussionsveranstaltungen – zu offen offenbar – und in der Buchhandlung Moser in Graz habe ich halt so ein bisschen geplaudert über den Sebastian Kurz damals, und das war ein Dummer … – ich habe immer wieder gesagt, das bleibt eh unter uns. Der, der mich interviewt hat, der liebe Kollege Patterer von der „Kleine Zeitung“, der hat’s am nächsten Tag in der Zeitung geschrieben. Und das hätte mir wirklich fast Kopf und Kragen gekostet – also ja, bitte das bei mir immer mitbedenken: Ich werde versuchen, meine persönliche Meinung natürlich einfließen zu lassen, aber als Journalist bin ich – da gibt's jetzt Richtlinien, auch in der Öffentlichkeit zu Objektivität verpflichtet. Ich frage mich zwar bei manchen, die bei uns auf Twitter sind, ob die das auch wissen – aber ja, ich fühle mich der Objektivität verpflichtet.
Moderator: Gut also, alles, was hier gesagt wird, lieber Herr Bürger, bleibt unter uns, und nur ein Hinweis, wer die Veranstaltung nachschauen möchte, die wird dann online gestellt, ab spätestens morgen Abend. Der Link dazu ist auf unserer Homepage zu finden. Aber es bleibt im Prinzip unter uns … ja, online unter uns … Ferdinand Wegscheider, dieselbe Frage: ServusTV – was ist der Beitrag von ServusTV zum Thema unabhängige Medien? Wie wichtig ist das aus Ihrer Sicht?
Ferdinand Wegscheider: ServusTV ist ja im Verhältnis zum ORF, zu anderen Medien, auch noch ein sehr junger Sender, ein sehr junges Medium. Der hat am 1. Oktober 2009 seinen Sendebeginn erst begonnen – zum Teil ein bisschen aus Salzburg TV hervorgegangen, aber dann doch ein ganz anderer Ansatz, nämlich ein nationaler Sender, der aber auch mit einem interessanteren Programm in Deutschland und der Schweiz zu empfangen ist. ServusTV war am Anfang primär dem hohen Qualitätsanspruch seines Eigentümers Dietrich Mateschitz geschuldet. Das ist, glaube ich, hoffentlich heute noch so. Ich bin zum großen Teil mit schuld, dass es dann 2014/2015 auch in Richtung Nachrichten gegangen ist, weil ich war ja am Anfang bei ServusTV nicht dabei – bin seit 2014 wieder bei Servus; habe als Informationschef angefangen, weil ich dem Herrn Mateschitz einreden konnte, dass der Sender auch Nachrichten braucht. Das wollte er am Anfang nicht, weil er so wie viele Menschen findet, Nachrichten seien so negativ. Hab ich gesagt: „Ja, das stimmt, das sagen alle jeden Tag in der Familie, am Stammtisch. Aber die, die jeden Tag über die Nachrichten jammern, die schauen jeden Tag – die meisten, und deswegen braucht der Sender Nachrichten.“ Und dann haben wir im Frühjahr 2015 eben auch mit Information bei ServusTV begonnen mit einem gleich hohen Qualitätsanspruch und ich hoffe und denke, dass wir mittlerweile eben mit diesem Qualitätsanspruch und journalistischen Prinzipien zur Unabhängigkeit und zur Meinungsvielfalt in Österreich ganz gut beitragen können.
Moderator: Roland Tichy – in „Tichys Einblick", das ist das Medium, für das er arbeitet oder er ist quasi das Medium, kann man durchaus so sagen – können Sie vielleicht doch noch ein paar Sätze zu „Tichys Einblick“ sagen, Stichwort online und jetzt auch Print, weil das in Vorarlberg vielleicht nicht alle kennen.
Roland Tichy: Aber sehr gerne. Zuerst mal als Person: Ich habe in Salzburg begonnen, aber ich kenne keinen der Beteiligten aus der Zeit beim Salzburger Volksblatt, bis Glattbacher es vernichtet hat. Diesen Einblick haben wir vor sieben Jahren gegründet, weil es mir in dem Kanalboot in Frankreich langweilig war. Es ist dann plötzlich irgendwie gewachsen, immer mehr Leute sind dazu(gekommen). Dann haben wir es professionalisiert. Wir haben heute laut der Untersuchung von Reuters in Deutschland einen rhetorischen Marktanteil, der in etwa der FAZ entspricht und ein Viertel dessen, was der Spiegel hat. Wie Reuters dies errechnet hat, ist mir manchmal auch ein Rätsel, aber gute Zahlen soll man nicht hinterfragen, finde ich.
Wir haben daraus vor sechs Jahren das Magazin „Tichys Einblick“ entwickelt, das da in den vorderen Reihen herumliegt. Die Auflage, die im Kiosk aufliegt, ist doppelt so groß wie im Kiosk das Managermagazin Kapital oder Wirtschaftswoche. Das ist natürlich ein ungeheurer Triumph und wir machen eine Talkshow, die in der Spitze 1,6 Millionen Zuschauer hat – das ist ungefähr die Hälfte von den großen ARDSendern: Zurzeit machen wir Sommerpause. Im Oktober wollen wir damit dann wieder anfangen – ist also für einen Hausmeister relativ viel Arbeit, die vielen Türen zu bedienen. Und ich glaube, was das Wesentliche ist in Deutschland, dass wir und auch andere gezeigt haben, dass wir die Chancen der neuen Medien nutzen können, weil die Eintrittsbarrieren doch durch die Elektronik sehr viel niedriger sind und auch natürlich auf andere Art und Weise. Wenn Servus davon profitiert, ist es im Rundfunkurteil 61. In Deutschland hat man gesagt, muss man lauter staatliche Sendungen wie den ORF haben, weil es zu teuer ist für einen privaten, mittlerweile geht's, weil Richard Schmitt und … haben es nachgemacht mit eXXpress die Eintrittshürden, die niedrigen, zu nutzen. Und ich glaube, das ist das, was etablierte Medien wahnsinnig ärgert, weil sie die Ökonomie von Medien nicht begreifen. Und es ist halt so, neue Technologien verbilligen bestimmte Prozesse. Das ruft neue Anbieter auf den Markt. Wir sind einer von denen, wir produzieren anders, wir produzieren auch die Zeitschrift anders, über eine Internetbude, die einmal im Monat die Artikel ausdruckt und die Leute lesen sie gerne.
Moderator: Ja, dann kommen wir jetzt einmal ein bisschen zum kritischeren Teil, weil es scheint ja, wenn man es so hört, alles eitel Wonne zu sein, aber natürlich geht es im Journalismus auch um umstrittene Sachen. Frage mal nach Unabhängigkeit – ich beginne mal auf der Seite wieder – Richard Schmitt, Sie sagen selber, Ihr Medium ist ja auch teilweise fremdfinanziert – oder da gibt’s Sponsoren, Gönner dahinter. Ist trotzdem eine Unabhängigkeit möglich aus Ihrer Sicht? Funktioniert das?
Richard Schmitt: Ja genau, durch diese Konstruktion, dass es eben eine Stiftung ist, wo Investoren, private Menschen hier sich zum Grundsatz gesetzt haben, diese Unabhängigkeit zu führen. Also wir haben ja eher das Problem, dass etablierte Medien – ich sag's jetzt mal so – die „MainstreamMedien“, wie sie auch oft genannt werden, von Inseratenflüssen, der Bundesregierung, der Stadt Wien oder ähnlichen Institutionen abhängig sind und diese Unabhängigkeit je nach Belieben auch formen. Sagen wir’s einmal mal nett. Und diese Unabhängigkeit hat dann sehr rasch Grenzen. Wir sehen es jetzt zum Beispiel an einem der größten Wirtschaftsskandale, den es meiner Meinung nach gibt, bei der Wien Energie. Also wir profitieren davon, dass wir jeden Tag unabhängig darüber berichten können, ohne Einschränkungen, ohne Restriktionen. Andere Medien versuchen da schon wieder runter zu gehen von ihren Webseiten, von ihren Schlagzeilen, die sie in der „Print“ dann auch haben …
Moderator: Wen meinen Sie da konkret?
Richard Schmitt: Ja, in den großen Tageszeitungen sieht man das deutlich, also wie das schon wieder verschwindet durch Interventionen. Und ich war selber lange genug bei einer großen Tageszeitung. Ich habe das am eigenen Leib erlebt, wie da interveniert wird. Bis hin zu Entlassungsdrohungen, bis hin zu auch InseratenbudgetEntzug. Ich habe das selbst erlebt beim Krankenhaus Nord, auch ein bekannter Skandal, ist auch nicht um wenig Geld gegangen. 1,4 Milliarden Euro hat das dann im Endeffekt gekostet. Fast das Doppelte als geplant war. Und wenn man dann halt hört, dass die Gesundheitsstadträtin das gesamte Jahresbudget absagt aufgrund der Berichterstattung, dann weiß man, dass man nicht unabhängig ist. Also dann ist das ein massiver Druck, ein wirtschaftlicher Druck auf das Unternehmen. In dem Fall hat die Krone damals, ich nenne es beim Namen, darauf gepfiffen, weil man wirtschaftlich stark genug ist. Und die Stadträtin hat's dann nicht mehr lang gegeben. Aber das ist halt eine relative Ausnahmesituation.
Moderator: Würden Sie sagen, Sie können bei solchen Themen unabhängiger berichten als zum Beispiel der ORF, weil der würde dann als Nächster drankommen?
Richard Schmitt: Das will ich so nicht sagen. Also ich glaube, da hängt‘s genauso von den Personen, den handelnden Personen beim ORF ab, und auch bei uns. Natürlich ist man in unserem kleinen Land sehr oft mit persönlichen Beziehungen, „Befreundungen“, also die Personen, die man ja auch in der Politik immer wieder trifft. Da gibt es schon diese, ich sag ’s einmal so volksläufig, diese „ Verhadderung“, gell. Und da muss man sehr aufpassen, dass das nicht um sich greift. Und bei älteren Medien ist das oft dann halt mehr der Fall als bei jungen Medien. Aber generell hängt’s an den handelnden Personen. Und beim ORF kann man das genauso sauber und korrekt abhandeln wie bei uns.
Moderator: Hans Bürger, werden solche Geschichten beim ORF sauber und korrekt abgehandelt? Oder wie groß ist der Versuch – Sie sind ja als Leiter der Innenpolitikredaktion haben Sie auch direkt mit Politikern zu tun – wie sehr wird da versucht, seitens der Politik, Einfluss zu nehmen? Und wie viel wird dann darauf reagiert oder – noch eine Zusatzfrage – gibt’s auch bei Redakteuren so etwas wie einen vorauseilenden Gehorsam? Beim ORF jetzt?
Hans Bürger: Es wird extrem interveniert. Also seit ich im Amt bin und in der „Zeit im Bild“ kann ich sagen: Es ist praktisch fast jede Regierung gleich im Versuch, im Versuch eine bestimmte Berichterstattung herbeizuführen. Und das muss man wirklich einmal auch deutlich sagen! Das ist Wurst, wer da der Bundeskanzler ist. Das ist das Dramatische. Also man kann wirklich nicht sagen, weil da hast du ja besonders den Rotfunk (Linkeparteiliche, einseitige Berichterstattung). Unter Schüssel da war’s absolut nicht anders. Und dass bei Bundeskanzler Kurz, eine sehr kleine aber schlagkräftige Gruppe hinter ihm, auch dafür sorgen wollte – ha, bin ich vorsichtig, oder? – dafür sorgen wollte, dass bestimmte Dinge kommen und bestimmte Dinge nicht kommen, das ist, glaube ich, auch bekannt. Also der Fleischmann, also ehrlich, der steht einer Laura Rudas und Co in nichts nach. Das heißt… Sie merken, gell, wie wahnsinnig schwierig das ist für mich, zu antworten. Aber, und jetzt kommt das große Aber: Was wirklich noch nie jemand gemacht hat, gar keiner – und ich bin seit 1998 längst dienender InnenpolitikChef, überhaupt wahrscheinlich von allen, weltweit von allen öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten. Und darum sagen sie: „Wann ist der Bürger endlich weg?“ – aber was wirklich noch nie war, dass vor einer Analyse einer daherkommt und sagt: “Sag das!“ Das hat ein Chefredakteur einmal versucht mit so kleinen Zettelchen, die er mir kurz vor der Analyse hingelegt hat. Ich habe es trotzdem nicht gesagt. Unser Verhältnis war dann wirklich nicht sehr gut. Aber grundsätzlich ist es so, dass man in den Analysen, in den Kommentaren, absolut frei ist. Das war es dann auch schon wieder. In der Berichterstattung wird schon sehr, sehr viel versucht. Da brauchen wir uns überhaupt nichts vorzumachen. Weil ich genau weiß, dass eh Corona kommt, spreche ich es gleich selbst an. Natürlich...
Moderator: Ich unterbreche noch kurz. Es wird viel versucht. Wie läuft es in der Praxis ab? Das interessiert, glaube ich, die Leute. Kommt da jemand und ruft an?
Hans Bürger: Ja, freilich.
Moderator: Kommt einer persönlich vorbei? Schreibt jemand eine Mail? Oder?
Hans Bürger: Also den Satz: „Wenn Sie es nicht so machen, dann war es das, bin nämlich Chef der Innenpolitik, das ist dir hoffentlich eh klar“, diesen Satz, habe ich, ich schätze 1000 Mal gehört. Ich könnte jetzt so viele Namen nennen und sie kommen aus allen Parteien, und es waren alle gleich.
Moderator: Ja, klar.
Hans Bürger: Es waren wirklich alle gleich, und alle zum Teil auch sehr brutal am Telefon. Ja, das läuft zu 99.9 % am Telefon. Es haben sich dann einige angewöhnt, das auf WhatsApp zu machen. Die machen das jetzt nicht mehr, völlig überraschend. Aber das bleibt, ich habe natürlich da einiges, ja. Es ist immer ganz nah bei mir, dieses Ding. Natürlich haben sie irgendwann begonnen das auch per SMS oder WhatsApp zu formulieren. Und dann hängt es halt davon ab, und jetzt sage ich ja, jetzt greife ich das auf, was der Richard gesagt hat. Ich würde schon noch sagen, dass es sehr zum Teil an den handelnden Personen liegt, also ja. „Ja weißt du, dann wird es halt morgen online gestellt“. Aber mir kommt schon vor, dass einige es nicht ganz schaffen, ihre wahre Gesinnung zu verbergen.
Moderator: Jetzt habe ich Sie vorher an einer Stelle unterbrochen, als sie das Wort Corona in den Mund genommen haben, und sie haben es noch nicht fertig geredet. Und dazu wollten Sie, glaube ich, auch noch etwas sagen, weil Sie gesagt haben, das kommt ja sowieso, es würde wahrscheinlich auch kommen.
Hans Bürger: Ja, es kommt sowieso und darum sage ich es gleich. Weil das war sicher auch für mich die schwierigste Zeit im Unternehmen, muss ich ganz ehrlich sagen. Weil der ORF irgend wann einmal klar gemacht hat, dass wir, und zwar nicht nur der ORF, sondern am Anfang auch die Opposition. Das darf man nicht vergessen, dass wir die Gesundheitspolitik der Bundesregierung jetzt nicht ganz groß in Frage stellen. Erinnern Sie sich, 15. März 2020, eigentlich waren da alle irgendwie, sind einen Weg gegangen, ein paar Wochen lang. Rot... alle sind mitgegangen. Eigentlich auch die meisten Medien, zumindest ein paar Wochen. Und dann kam dieser lustige Osterer lass, der Anschober. Und da sind die Wege dann auseinandergegangen. Und natürlich war es dann so, dass für jene, die gesagt haben: „Achtung wir verlassen da möglicherweise einen objektiven Kurs, möglicherweise“, dass es dann nicht einfach war, in Diskussionen sich unbedingt durch zusetzen. Ich sage ein Beispiel: Ich habe dann irgendwann auch selbst in Vertretung der Ingrid Thurnher ein Politik, wie heißt die Sendung in ORF 3, Politik live? Oder, heißt es, glaub' ich? In ORF 3 am Donnerstag. Das hat lange Zeit die Ingrid Thurnher moderiert, jetzt moderiert es die Lou LorenzDittlbacher, ich habe sie mal vertreten. Und dann haben sie mir sechs Befürworter hinge setzt. Also sechs, die in der Corona, also die bezüglich CoronaMassnahmen alle einer Meinung waren, alle. Dann habe ich gesagt, was soll daraus für eine Diskussion entstehen?
„Ja des ist Wurst. Es ist halt so“. Und da habe ich zum ersten Mal gesagt: Ich weiß nicht, ob wir diesen Kurs durchhalten können. Weil auf ServusTV schaut es anders aus. Wenn du im ORF das Wort ServusTV sagst, bist du sowieso schon verdächtig. Aber ich habe gesagt, na ja, die machen das halt. Und jetzt kommt, glaube ich, der entscheidende Unterschied zwischen dem öffentlichrechtlichen Rundfunk und einem Privatsender. Der öffentlichrechtliche Rundfunk geht, was Wissenschaftsberichterstattung betrifft, davon aus: Wir akzeptieren die vorherrschende wissenschaftliche Meinung. Und weil von 100 Personen – Wissenschaftlern – 98 gleicher Meinung sind, dann werden wir doch nicht so deppert sein und genau die zwei einladen, die nicht dieser Meinung sind. Das ist… Ich habe zig Diskussionen mit Günter Mayr geführt, also wir haben wahnsinnig viele Diskussionen geführt und das Argument ist, wenn du das machst, dann lädst du halt 50 Personen ein oder 49 und dann darf es einen Gegner geben. Aber bei fünf stimmen die Proportionen nicht. Und das ist der Unterschied und das muss man diskutieren. Es hat sich aber daran eigentlich relativ wenig geändert. Also bestimmte Leute, die in ServusTV aufgetreten sind – nicht viele, aber einige – nogo bei uns, also überhaupt keine Möglichkeit, wodurch natürlich halt die Diskussionen anders verlaufen sind und dann – ich bin gleich fertig, mich muss man immer stoppen – dann haben sie mir den Kickl (Herbert) eingespielt, das war dann eine Livesendung, plötzlich kam da der Kickl, der böse Kickl, der halt das gesagt hat und da sind alle sechs über den Kickl hergefallen… Und was machst du jetzt als Moderator? Ich kann nicht sagen ‚Ja‘. Dann musst du automatisch dann natürlich die Position übernehmen und sagen, na ja, hat er nicht da und da und da Recht. Dann passiert Folgendes: „Der Bürger, der ist FPÖnah, was ist denn da los?“ Also du musst wahnsinnig aufpassen bei allem, was du machst. Wenn du eine Diskussionssendung leitest und sechs Personen der Meinung sind, die Coronamaßnahmen sind gut, was bleibt da anderes übrig, als den Pfeffer hineinzugeben, was dich natürlich als Moderator unobjektiv macht. Du magst mich jetzt fragen, was die Lösung ist – keine Ahnung!
Moderator: Obwohl Herr Bürger relativ lange geredet hat, möchte ich jetzt trotzdem nochmal nachbohren.
Roland Tichy: Das ist schon ein bisschen eine intellektuelle Kapitulationserklärung, wenn Sie sagen: „98 % der Wissenschaftler plappern mir das nach.“ Ich meine, Sie sind in Wien, Sie sind in der Stadt, da gab es einen Arzt, der heißt Semmelweis, der hat festgestellt, dass die Frauen, die im Krankenhaus entbunden haben, schneller gestorben sind, als die Frauen, die draußen im Dreck geboren haben. Und da hat er festgestellt, dass es so etwas gibt wie ein „Leichengift“. Und das entsteht, wenn man am Vormittag (in) den Leichen „reinlangt“ (Anmerkung: die Hände an den Leichen verunreinigt) und am Nachmittag den Wöchnerinnen das Baby damit rausholt. Er hat gesagt: „Es muss sowas geben wie ein Leichengift.“ Der ist verfolgt worden, er ist in den Wahnsinn getrieben worden. Weil auch in der Wissenschaft gibt es so etwas wie eine herrschende Lehre, und wer dagegen ansteht, ist ein Außenseiter. Aber der wissenschaftliche Fortschritt ist nicht von den Bestätigern entwickelt worden, sondern von den Außenseitern. Immer von den Außenseitern! Und insofern ist das Abzählen von wissenschaftlichen „JaSagern“ keine journalistische Qualität, sondern journalistische Qualität ist – Entschuldigung, wenn ich Ihnen das so sage, als der Ältere, der ich bin – Sie müssen sich schon bemühen, die Dinge zu durchdringen und auch Gegenmeinungen zu hören. Da liegt man manchmal kräftig daneben, aber die Diskussion bringt es vorwärts und nicht das Abzählen.
Ich meine, das ist doch die Blamage, die wir auch in der Coronaphase erlebt haben, dass sich die Wissenschaft täuscht. Das ist eine Ideologisierung der Abzählreime der sogenannten Wissenschaft. „Follow the science“ hat sich blamiert. Wissenschaft ist Diskussion, ist Streit, ist Auseinandersetzung und die Welt ist vorwärtsgekommen, weil sich Leute den Mut herausgenommen haben, dagegen anzutreten und nicht zu sagen: „Ja das ist halt die Mehrheit, da mache ich halt mit.“
Moderator: Da möchte ich gleich etwas dazu sagen. Vielleicht das Zitat „98 % der Wissenschaftler haben diese Meinung, 2 % eine andere“. Sind Sie auch der Meinung… Sie haben nicht direkt in Ihrer Sendung, aber bei ServusTV wurden ja oft dann zwei links, zwei rechts eingeladen, ich sage jetzt zwei Maßnahmenbefürworter und zwei, die das kritisch gesehen haben. Würden Sie auch im Nachhinein dabei bleiben, dass es so richtig ist, oder würden Sie sagen: „Eigentlich war das Verhältnis schon 98:2 und wir haben es trotzdem 2:2 dargestellt“. Oder stimmt das Verhältnis viel leicht auch gar nicht?
Ferdinand Wegscheider: Also zum einen sehe ich das natürlich genau so, dass wesentliche Errungenschaften in der Wissenschaft, und vorher auch in der Medizin, seit Jahrhunderten immer von den Außenseitern gekommen sind. Zum anderen, was mich als Journalist in diesen zweieinhalb Jahren schon auch bewegt hat beim Recherchieren, ist , dass es eben nicht nur ein Semmel weis war, oder zwei von hundert waren, sondern es war wirklich von Nobelpreisträgern abwärts und von den bis vor zweieinhalb Jahren meist zitierten Virologen weltweit, wie Ioannidis, der war der meistzitierte Virologe weltweit. Die sind über Nacht, laut Herr Günther Mayr, Wissenschaftschef vom ORF, offensichtlich zu Quacksalberidioten verblödet. Da frage ich mich: „Wie kann ein Journalist, wie kann ein Sender wirklich der Meinung sein, ‚Trust the science’, ‚wir haben die einzige Wahrheit’?“ Das verstehe ich nicht.
Moderator:
Hans Bürger: Also ich habe – wird dir vielleicht jetzt nicht gefallen – aber ich bin mit Günther sehr eng befreundet, mit Günther Mayr – aber wir haben darüber extrem viele Diskussionen gehabt, zum Teil auch in der Öffentlichkeit. Wir haben nämlich ein Buch miteinander geschrieben. „Knockdown“ heißt das – ist gar nicht so teuer – zum Wissenschaftsteil habe ich gar nichts geschrieben, sondern ich habe nur – ich habe mal Volkswirtschaft studiert, habe den wirtschaftlichen und den politischen Teil geschrieben. Es gibt zum Teil ganz gute Einblicke, wie damals das Krisenmanagement funktioniert hat.
Der Günther kommt mir dann sofort mit „Die Erde, sie ist eine Scheibe“ Argument und sagt da:
„Würdest du, wenn von hundert sagen, die Erde ist rund, und zwei sagen, sie ist eine Scheibe, würdest du die beiden oder einen der beiden Scheibenverfechter einladen?“ „Nein“, habe ich gesagt, „natürlich nicht“. Und das ist ein bisschen so das Hauptargument, jetzt sehr stark vereinfacht. Es gibt natürlich eine sogenannte Schulmedizin und natürlich gibt es auch andere Medizin, aber das Problem ist halt immer die Verhältnismäßigkeit. Diesen Fall, weiß ich gar nicht, ob der Günther das zu verantworten hat, dass der dann niedergemacht wird.
Moderator: Das Problem ist, dass da jemand, der anerkannt ist, wie der Ioannidis zum Beispiel. Auf einmal wird der in eine Schublade gesteckt, dass man sagt: „Der ist einer, der sagt: ‚Die Erde ist eine Scheibe’.“ Und wenn heutzutage jemand im Jahr 2022 sagt: „Die Erde ist eine Scheibe“, dann kann man ihn nicht ernst nehmen, denke ich jetzt. Da herrscht Konsens. Aber wenn jemand sagt: „Die Maßnahmen sind vielleicht übertrieben“, wie Ioannidis es z.B. gesagt hat, dann ist es denn ein „Die Erde ist eine Scheibe“ Mensch, der nicht gehört werden muss oder kann man den ...
Roland Tichy: Lasst uns doch mal festhalten, dass es die Scheibenvertreter waren, die die Kugelvertreter auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben.
Richard Schmitt: Also ich glaube, man muss das eben differenzierter sehen, um diese – da sind wir wieder beim unabhängigen Journalismus – ich glaube, dass der Journalismus gar nicht dazu jetzt auserkoren ist, über wissenschaftliche Details zu spekulieren oder eine Linie vorzugeben. Das Wichtige ist, dass man den Diskurs offen lässt und auch sich das vor Ort anschaut. Ich habe das erlebt bei diesen Demonstrationen der Coronamaßnahmen Gegner, wie die vom ORF aber auch von anderen großen Medien sofort als Nazis, Randalierer, Rechtsextreme sowieso, als Irre, auch mit der richtigen Auswahl der Fotos dazu, sofort verteufelt worden sind. Ich habe mir das selber angeschaut. Ich war nicht weit weg von unserer Redaktion. Wir waren am Heldenplatz in so einem Museumsquartier. Da waren ganz normale Menschen dabei. Damen im Lodenmantel, Herren, Anwälte, ganz normal. Man hat auch mit denen ganz normal reden können. Die haben echte Sorgen gehabt, wirklich, die man auch wahrnehmen muss. Und da haben viele Medien – muss ich wirklich sagen – einen schweren Fehler gemacht, genau das, was man ihnen eh schon vorgeworfen hat. Also diese Meinungsmache, diese FakeNews, dieses an der Bevölkerung Vorbeizuschreiben, das wurde in dieser Zeit massiv intensiviert. Man hat da natürlich diese Chance nutzen können. ServusTV hat das super gemacht mit einer unabhängigen Berichterstattung, vor Ort Berichterstattung, wie man auch in unseren Kamerateams tut. Das ist dann eben schon die Aufgabe eines unabhängigen Journalismus. Und das ist beim ORF dann halt ein gewisser voraus eilender Gehorsam. Über den müssen wir noch speziell reden. Den gibt es nämlich in den großen Medienhäusern, dass man gar nichts sagen muss, gar keine Anweisung geben muss, weil die Redakteure ja schon alle wissen, wer Abteilungsleiter werden will oder Ressortleiter werden muss, dann muss ich eh brav sein und das, was der Chef denkt oder wer er immer auch ist, das muss ich erfüllen. Und das ist das große Problem, das wir bei vielen Medien haben. Und da waren für mich diese Demos das beste Beispiel.
Moderator: Jetzt habe ich gleich an dieser Stelle etwas dazu, weil wir vorher von 98:2 etwas gesagt haben. Die Runde ist überhaupt nicht so besetzt, dass sie jetzt quasi ausgewogen besetzt wäre, weil es sind von den Vertretern, die sind aus bestimmten Gründen hier. Aber diejenigen, die die ORFBerichterstattung auch kritisch sehen, würde ich sagen 3:1 im Verhältnis. Das heißt, der Hans Bürger hat einen schweren Stand und jetzt auch vom Wortanteil her geht es überproportional etwas in eine Richtung. Aber ich finde, es müssen ja nicht immer die Minuten gezählt werden und der Herr Bürger wird das aushalten. Er war sich auch dessen bewusst.
Ich stelle eine konkrete Frage: Als am 15. März diese Pressekonferenz war damals...
Roland Tichy: Entschuldigung, machen wir jetzt eine BürgerBefragung oder machen wir eine Podiumsdiskussion?
Moderator: Ja, okay.
Roland Tichy: Können wir ja machen.
Moderator: Nein.
Roland Tichy: Es war bloß eine Frage.
Moderator: Ich würde dem Herr Bürger eine Frage stellen, dann mit Ihnen weitermachen.
Roland Tichy: Sehr gnädig, danke.
Moderator: So bin ich. Und zwar: Da war dann diese Bitte vom damaligen Innenminister Nehammer – jetzt habe ich leider den genauen Wortlaut nicht mehr im Kopf – so sinngemäß, in dem Moment, wo es um den Lockdown gegangen ist: „Wir brauchen jetzt keine kritischen Medien, sondern wir brauchen jetzt die Unterstützung der Medien.“ Und da war dann auch, glaube ich, bei der PK, bei der Pressekonferenz, nur der ORF zugelassen und die APA, glaube ich. Und der ORF hat dann wirklich, glaube ich, kann man sagen, den Innenminister unterstützt und nicht kritisch hinterfragt. Würden Sie das im Nachhinein als Fehler bezeichnen oder würden Sie es wieder so machen?
Hans Bürger: Also eines muss ich jetzt da schon sagen zu meiner Verteidigung. Ich bin nicht der Generaldirektor, ich bin nicht der Informationsdirektor und ich bin nicht der Chefredakteur. Also...
Moderator: Ne, nein, es ist schon wichtig, das auch zu sagen.
Hans Bürger: Ich bin auf der vierten Ebene. Das heißt... [fehlender Teil, es sprechen beide gleich zeitig, unverständlich]... wenn der ORF live übertragen wird als live, dann wird es live übertragen, also dann braucht es schon sehr viele Skeptiker, um das noch abzuwenden. Was ich sage, wo der Fehler bei uns, glaube ich, gelegen ist, dass wir viel zu viel live übertragen haben. Weil natürlich das sogenannte virologische Quartett – haben wir es dann genannt – die dort eine Stunde lang bis zu eineinhalb Stunden lang, die Möglichkeit hatten, einfach dahin zureden. Und ich glaube, so kann man es wahrscheinlich nicht machen. Das sehen bei uns alle anders. Und sie sehen es auch deshalb anders, weil zum Beispiel oe24 alles live übertragen. Das heißt, wir kommen da in eine unglaublich schwierige Situation hinein. Entweder wir sagen, weniger live, dann gehen die Leute zu den LiveSendern – ich sage, man muss aufpassen, was konkret man live überträgt, weil du sonst irgendwann mal Probleme mit der Regierung bekommst. Also ich würde das wahrscheinlich, wenn ich es entscheiden könnte, ein bisschen anders machen.
Moderator: Gut, Herr Tichy, jetzt aber sind Sie am Wort.
Roland Tichy: Na, stellen Sie eine Frage, also...
Ferdinand Wegscheider: Ich möchte direkt was darauf sagen. Also ganz ehrlich gesagt, Hans, ich glaube, es ist völlig wurst, ob der ORF live übertragen wird, oder wie viel, wie lange live übertragen wird. Das ist völlig wurst. Die Frage und der journalistische Ansatz, die Freiheit der Unabhängigkeit ist nicht, ob ich eine Regierungspressekonferenz live übertrage, sondern was ich dann damit mache. Und wenn ich dann in der Folge, nach der Regierungspressekonferenz und mittlerweile zweieinhalb Jahre lang eins zu eins nachbete, was die Regierung sagt und dann täglich dem Herrn Wissenschaftschef nachbeten lasse, was die Regierung sagt und täglich, tagtäglich seit zweieinhalb Jahren nur Experten einlade, die das auch nachreden. Keine einzige Gegenstimme. Das ist das Problem.
Moderator: Das war jetzt in Österreich. Wie erleben Sie das in Deutschland?
Roland Tichy: Ich will an einem anderen Punkt ansetzen und zwar: Wie ist es mit der Freiheit des Journalismus oder der Medienfreiheit? Da gibt es ein paar harte und ein paar weiche Faktoren. Der erste, härteste ist das Recht. Wir haben in Deutschland – Österreich ist sehr ähnlich – ein sehr liberales Medienrecht. Allerdings muss man in den Ländern kämpfen wie ein Löwe. Wir haben ein sehr schmales Budget. Ich habe das Unternehmen ja selbst gegründet mit tausend Euro im Monat. Aber wir verwenden 10 % unseres Budgets für Anwalts und Gerichtskosten. Ich sehe schon, wie die Anwälte jetzt gierige Augen kriegen. Weil wir haben zum Beispiel letzte Woche ein Verfahren gewonnen gegen die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring Eckardt, die uns untersagen wollte, dass wir uns über sie lustig machen. Wir dürfen uns über sie lustig machen.
Jemand aus dem Publikum: Bitte weiter!
Roland Tichy: Wir haben ein ähnliches Verfahren gegen Sawsan Chebli, eine palästinensische Staatssekretärin in Berlin verloren. Über die dürfen wir uns nicht lustig machen. Ich glaube, dass in Deutschland die faktische Pressefreiheit niedriger ist als im Kaiserreich. Im Kaiserreich gab es aus München den Simplicissimus, der in unglaublich scharfer Art und Weise die damals herrschende Klasse aus Militärs, Adel und so, kritisierte. Das wäre heute de facto nicht mehr möglich, aber es ist noch relativ möglich.
Das Zweite ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Da haben wir ein bisschen darüber geredet. Und jetzt mehr aus deutscher Perspektive, das deutsche öffentlichrechtliche Fernsehen, das Pendant zum ORF, ist mit 8,6 Milliarden Euro im Jahr ausgestattet. Das entspricht dem Bruttosozialprodukt aller afrikanischen Staaten südlich der Sahelzone ohne Südafrika. Also wir könnten ganz Afrika öffentlichrechtlich durchfüttern, ernähren und alles andere. Wir müssten es nur wollen. Wir wollen es aber nicht, wir verblasen es lieber.
Also, und trotzdem, einer neuen Umfrage zu Folge, die wir am kommenden Samstag veröffentlichen, sollen 60 % der Deutschen der unabhängig … ist nicht das, was wir mit ARD und ZDF verbinden, sondern wir verbinden damit Abhängigkeit. Also Geld allein, harter Faktor, bringt es auch nicht. Denn wenn es nur ums Geld ginge, wären ARD und ZDF die größten Freunde und die größte Freude der Pressefreiheit. Ich glaube, es ist etwas, was wir im Kopf brauchen. Nämlich dass man sich unabhängig gibt und unabhängig macht und auch bereit ist, dafür zu streiten und als Straßenkämpfer fast aufzutreten und nicht immer zu sagen: „Ja, ja, aber ich muss aufpassen, was mein Intendant dazu sagt.“ Also da hört es doch schon auf. Also wir müssen die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, nicht als Geschenk betrachten, die wir in Deutschland von den Amerikanern geschenkt gekriegt haben, sondern wir müssen sie täglich verteidigen. Und wenn wir das nicht wollen, dann ist etwas im Kopf falsch. Und deswegen wäre meine Bitte: Lass uns doch darüber sprechen, warum engen wir uns so ein und quälen und fahren so Kurven, statt dass wir einfach sagen: „Wir fragen den einen und fragen den andern und bitte, Zuschauer, bilde du dir deine Meinung.“
Richard Schmitt: Zu der Unabhängigkeit und der Freiheit der Presse möchte ich eine kleine Geschichte erzählen, weil es hängt natürlich immer am Geld auch. Das ist der „Wegscheider“. Das wissen wir ja alle. Und ich hatte da mal einen netten Termin, das ist schon länger her, zehn Jahre, es war keine schwarze Regierung, bei einem Medienstaatssekretariat. Und der hat zu mir in einem Gespräch gesagt: „Wie würdest denn du die Inserate verteilen?“ Ich hab‘ dann nicht gesagt: „Gib 90 % der Krone“, sondern ich habe gesagt: „Objektiviert es doch. Ladet ein Journalisten, Publizisten, Professoren aus ganz Europa, die machen ein Punktesystem nach Auflage, nach Arbeitsplätzen, nach politischer Bedeutung und, und, und...“. Da haben sie gesagt: „Ja, das klingt ganz gut. Ja, dann hat der ORF zehn Punkte, die Krone acht Punkte, usw., usf.“ Dann sagt er, kurz überlegt: „Dann braucht es uns ja nicht mehr.“ Und das ist der Punkt. Man will ja diese politische Macht weiter ausüben und das ist das große Problem in Österreich. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber ich glaube schon, dass es in Österreich besonders dramatisch ist, dass man hier diese Macht, diesen Zugriff auch ausüben will. Darum gibt es auch weiter die GISGebühren, weil da kann man bei jeder Diskussion so oder so machen. Sind wir halt für die GISGebühren, sagen wir mal, können wir zum ORF Chef sagen: „Na ja, wir haben dich auch unterstützt bei den GISGebühren oder bei wieder 8 % Erhöhung. Oder man sagt:
„Diskutieren wir mal über die GISGebühren“ – na ja, dann kann man schon wieder die Daumen schraube ansetzen. Und es geht prinzipiell über das Geld und das muss mal objektiviert werden.
Moderator: So...
Roland Tichy: Ja, aber ich habe auch ein Bedenken dagegen. Ich würde einem Politiker nicht vorwerfen, und auch einem Unternehmer nicht, wenn er versucht, auf Medieninhalte Einfluss zu nehmen. Das ist sein Geschäft. Das muss er machen.
Richard Schmitt: Einfluss zu nehmen ja, aber mit Argumenten. Nicht mit Geld und nicht mit Erpressung.
Roland Tichy: Erpressung ist überschritten, aber natürlich, [ich] würde es auch mit Geld versuchen. Ich finde, wir sollten uns heraus bewegen aus einer Pippi Langstrumpf… alle lieb zueinander sein... Wir sind Pippi Langstrumpf. Wir müssen einfach bereit sein, dagegen anzutreten. Wir müssen uns wehren. Wenn wir erwarten, dass Politiker uns liebhaben und uns ausgewogen behandeln, dann haben wir schon verloren. Es ist ein Kampf. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit ist ein ständiger, täglicher Kampf und am besten ist, wenn wir die anderen akzeptieren und sagen: „Es ist euer Interesse, uns zu beeinflussen und meines, mich nicht beeinflussen zu lassen.“ Und in diesem Konflikt müssen wir ständig kämpfen. Natürlich ist es schön, wenn man viel Geld im Kreuz hat. Eh, das hilft einem dabei und manchmal muss man leider auch gewisse Sünden begehen. Das wäre jetzt völlig verkehrt, wenn man so tut: „Hier sitzt der Erzengel Gabriel mit dem Feuerschwert.“ Nein, ist leider nicht so. Sondern es ist ein ständiger Prozess des Abwägens, des Kämpfens, der Auseinandersetzung, aber ich glaube, wir wollen ja für junge Journalisten was abliefern:
„Ihr müsst kämpfen, ist die Botschaft. Es wird euch nicht geschenkt.“ Und das ist die entscheiden de Botschaft: „Es wird euch nicht geschenkt, ihr müsst es euch nehmen.“
Ich war nach der Wiedervereinigung für den ostdeutschen Rundfunk zuständig. Das war ein reiner Propagandaapparat der SED [Sozialistische Einheitspartei Deutschlands] Und es war ganz schwierig, den Journalisten zu sagen: „Ihr seid jetzt frei! Ihr dürft uns kritisieren, mich auch. Ich muss das aushalten.“ Es gibt Grenzen der Beleidigung. Aber die sind trotzdem mit der Dachlatte gekommen. Auch das haben wir geschafft. Aber die Freiheit sich zu nehmen, zu sagen, zu schreiben, zu senden, was richtig ist, das muss in den Köpfen verankert werden. Und wenn wir anfangen zu sagen: „Da machen wir Einschränkungen, das muss der Intendant erlauben, und das Geld muss da sein, usw. usf.“. Das ist alles wahr, aber es ist die zweite Wahrheit.
Sendungstext
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05.11.2022 | www.kla.tv/24065
Vom 1. bis 2. September 2022 fand der „1. Internationale JournalistenKongress“ im Festspielhaus Bregenz statt. Dabei wurde angehenden Journalisten, Journalisten mit wenig Erfahrung und Studenten im Medienbereich die Möglichkeit geboten, sich mit international renommierten Journalisten zu treffen und auszutauschen. Veranstalter war die libertatem Stiftung mit Sitz in Ruggell (Liechtenstein). Ihr Stiftungszweck ist wie folgt: Die Förderung der Meinungsfreiheit in sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Medien, die Förderung von kritischem Journalismus, der persönlichen Freiheitsrechte sowie die Stärkung des Individuums im gesamten deutschsprachigen Raum. Im Rahmen des Kongresses fand eine Podiumsdiskussion mit drei Chefredakteuren freier Medien und einem Leiter des ORF statt. Sehen Sie nun im Anschluss die gut 50minütige ungekürzte Podiumsdiskussion zum Thema: „Wie unabhängig sind unsere Medien?”. Die anschließende Fragerunde mit dem Publikum finden Sie im eingeblendeten Link im Abspann. An dieser Stelle bedanken wir uns beim Betreiber des YouTubeKanals „FrischerWind“, der die Podiumsdiskussion gefilmt und Kla.TV die Rechte für die Ausstrahlung gegeben hat. Podiumsdiskussion Teilnehmer: Ferdinand Wegscheider (FW), ServusTV Roland Tichy (RT), Wirtschaftsjournalist Hans Bürger (HB), ORF Richard Schmitt (RS), eXXpress Gernot Hämmerle, Moderator der Podiumsdiskussion Moderator: Schönen guten Abend, alle miteinander. Es freut mich, dass das Interesse so groß ist, dass so viele gekommen sind. Dominik, wir hatten ursprünglich geplant 30 bis 50 Zuseher. Schauen wir mal – jetzt sind es, glaub' ich, fast 100. Also super, dass so viel Interesse besteht. Es wird heute eine Podiumsdiskussion stattfinden. Ich sag' dazu dann noch ein paar Worte. Davor aber bitte ich Dominik Schatzmann, die Begrüßung noch vorzunehmen und ein paar Worte zu sagen. Dominik Schatzmann ist der Vorstand der libertatem Stiftung. Die libertatem Stiftung ist Financier dieses Kongresses. Hat das ermöglicht, dass dies stattfindet, hat es finanziert. Dominik, bitte! Dominik Schatzmann: Sehr gerne, danke. Ja, sehr geehrte Damen und Herren, liebe angehende und erfahrene Journalisten, sollten ja auch wieder da sein. Weil nur zwei bis drei Minuten Redezeit vereinbart sind, was mir als Anwalt nicht so ganz leicht ist, kann ich leider nicht die ganzen persönlich Bekannten und Freunde jeweils einzeln begrüßen. Mich freut natürlich im Namen der Stiftung, dass so viele am heutigen Kongress dabei sind und dass die Diskussionsrunde auf so großes Interesse gestoßen ist. Es tut mir leid, dass wir am Schluss Absagen erteilen mussten, weil wir einfach, wie Gernot schon gesagt hat, zu viel Nachfrage dann hatten. Es freut mich, dass so viele Menschen Interesse am Diskurs in Medien, aber auch über Medien, haben und daher auch teilweise von so weit angereist sind. Gerade die letzten Jahre haben uns gezeigt, wie wichtig so ein Diskurs ist bzw., dies möchte ich betonen, wäre. Und wie wichtig die Rolle der Medien, aber auch die Unabhängigkeit in der freien Berichterstattung und Recherche sind. Die libertatem Stiftung wurde vor mittlerweile dreieinhalb Jahren gegründet mit dem Ziel, die Meinungsfreiheit des kritischen, aber auch ehrbaren Journalismus zu fördern. Auch Medienschaffende sollten sich nämlich stets bewusst sein, zu was für Konsequenzen eine bestimmte Berichterstattung führen kann. Dass die Leser und Zuseher den Medien vertrauen, dass dieses Vertrauen aber durchaus auch – wie wir in der Vergangenheit gesehen haben – sehr erschüttert werden kann. Dass unvollständige und unrichtige Berichte teilweise nachhaltige Existenzen vernichten können. Dass gründliche Recherche, DoubleCheck der Quellen und andere Sachen wichtig sind und dass man auch drüber reden sollte, was macht guten Journalismus eigentlich aus. Und dazu hat man hoffentlich heute im Workshop einiges gelernt. Und ja, natürlich darf man auch Medien selbst und deren Berichterstattung kritisch hinterfragen. Wie unabhängig sind Medien, wenn es rein von den Inseraten, möglicherweise der öffentlichen Hand, abhängt oder wenn einzig und allein ein Mäzen dahintersteckt? Und was passiert, wenn politische Entscheidungsträger, wenn Medien politisch besetzt werden? Und eine wesentliche Frage: Wo liegt eigentlich die Trennung zwischen Berichterstattung und Meinungsmache in Medien? Demokratie lebt zwar unweigerlich vom Austausch unterschiedlicher Meinungen, sollte Demokratie auch stets ein fairer Wettbewerb der besten Ideen sein. Nur, wer definiert heute: Was sind eigentlich FakeNews? Was sind die Probleme, über die man eigentlich diskutieren sollte? Warum finden überfällige Diskussionen nicht statt? Worüber wird berichtet, worüber wird nicht berichtet? Was ist, wenn Winnetou Filme vielleicht gar nicht so böse sind? All diese Themen wollen wir heute diskutieren und da möchte ich mich bei Gernot und seinem Team ganz herzlich bedanken für die Organisation und gleich das Wort einer hoffentlich spannenden Diskussionsrunde übergeben. Vielen Dank. Moderator: Dankeschön, Dominik Schatzmann, Vorstand der libertatem Stiftung. So, bitte noch Platz zu nehmen. Vielleicht eher bitte… Es sind da teilweise noch einzelne Plätze frei. Von den hinteren Reihen kann man sich bitte gerne noch nach vorne setzen. Da sind vier Plätze am Stück. Gerne bitte näher kommen, die hinteren Reihen waren eher als Ersatz noch gedacht. Oder wenn Sie sich dort hinten wohl fühlen, sollte auch passen. So, also, wir fangen gleich an mit der Diskussion. Ich möchte… ich setze mich jetzt und frage mal, sieht man halbwegs auf die Bühne? So gut’s geht. Sonst hört man die Referenten zumindest und die Namen sind ohnehin hier alle eingeblendet. Ich werde zuerst ganz kurz noch die Podiumsdiskussionsteilnehmer vorstellen, obwohl sie eigentlich hinreichlich bekannt sind, aber ganz kurz noch was zu ihnen sagen. Nachher werden wir hier am Podium diskutieren, werden auf unterschiedliche Meinungen treffen, wie ich erwarte und nach herbekommt man auch im Publikum gerne die Gelegenheit, Fragen an die Podiumsdiskussionsteilnehmer zu stellen. Wird auch die eine oder andere kritische Frage kommen. So soll es sein. Und die Teilnehmer werden versuchen, da kurz, so gut es geht, drauf zu antworten. Jetzt beginne ich einfach mal links außen. Roland Tichy ist Wirtschaftsjournalist aus Deutschland – ja, darf vielleicht noch kurz aufstehen – einer der renommiertesten Wirtschaftsjournalisten in Deutschland. War Wirtschaftsjournalist des Jahres, das war 2010, oder 2008 war es, glaub' ich, also wirklich ein Kapazunder. Im Moment bei „Tichys Einblick“, glaub’ (ich), Gründer, Geschäftsführer, Hauswart, also ziemlich alles, was es dort zu tun gibt. Wir freuen uns dann auf seine Sicht der Dinge zum Thema unabhängiger Journalismus. Jetzt gehen wir der Reihe nach durch. Ferdinand Wegscheider, äh, ja, bitte auch aufstehen, einer der Pioniere – der Pionier des Privat fernsehens in Österreich. Kämpfte lange für das Privatfernsehen, dass das überhaupt möglich ist. Im Moment, oder seit einigen Jahren schon, Intendant bei ServusTV. Zu meiner Rechten Hans Bürger vom ORF. Ja, hier muss ich auch nicht viel sagen. Der Mister Innenpolitik des ORF. Leiter der Innenpolitikredaktion im ORF, bei der „Zeit im Bild“, Sommergespräche geführt, alles Mögliche. Also eines der bekanntesten Gesichter des ORF nach außen. Und wir freuen uns über seine Ansichten heute Abend. Richard Schmitt, er hat eine lange journalistische Geschichte. (Ich) glaube, angefangen hat er bei der KroneZeitung als allererstes und dann ist es über verschiedene Stationen gegangen. (Im) Moment aktuell eXXpress, eine Onlinezeitung, und immer auch stärker ein bisschen im Fernsehen dann präsent. Auch ein sehr kritischer Geist, umstrittener Geist und wir sind auch sehr gespannt, was Richard Schmitt heute uns alles zu sagen hat. Wird, denke ich, sehr spannend. Gut, dann legen wir los mit der Diskussion. Die Referenten oder die Podiumsdiskussionsteilnehmer darf ich bitten, wahrscheinlich das Mikrofon so die meiste Zeit in der Hand zu halten und bitte so am Griff und relativ nahe. Ich würde vielleicht einmal mit einer kurzen Runde beginnen. Richard Schmitt, können Sie vielleicht kurz sagen zwei, drei Sätze zu Ihrem Medium, was das macht und was ist der Beitrag Ihres Mediums für unabhängigen Journalismus Richard Schmitt: Ja, also der eXXpress wurde ja auch genau aus diesem Grund gegründet, auch mit Hilfe der libertatem Stiftung, dass wir hier zu mehr Unabhängigkeit im Journalismus beitragen. Wir haben alle gesehen, ich war 32 Jahre bei der Krone und weiß da einiges oder wüsste einiges zu berichten, was es da mit Inseraten und mit Verbindungen zur Politik gibt. Und deswegen ist es so wichtig, dass man ein neues Medium gründet, auch für den gesamten österreichischen Markt, so wie ServusTV ja auch eine Neugründung war. Dass man hier unabhängig und komplett neu das aufstellt. Wir haben mittlerweile eine Million Unique Clients im Monat drauf. Wir sind in einem Wachstumsstadium. Wir sind 18 Monate jetzt am Markt. Die Seite wird rund um die Uhr ständig neu befüllt mit den aktuellen Berichten aus Österreich, aus der ganzen Welt, von Sport bis Kultur, alles. Und wir haben daneben oder parallel dazu einen Fernsehsender mit dabei und freuen uns natürlich, dass wir halt diese Synergie nutzen von der NewsSeite zum Fernsehsender und das läuft jetzt sehr gut und das ist glaub ich auch der Schlüssel, dass hier vielleicht auch andere einmal ermutigt werden, hier diesen Weg zu bestreiten in diese Unabhängigkeit und das zu versuchen. Es ist eine Menge Arbeit logischerweise. Es ist ein großes Risiko. Auch natürlich, wenn man sich hier wirklich auch unabhängig positioniert. Ich glaub', der Herr Wegschneider weiß das auch, wie brutal diese Geschäftswelt dann ist, wenn man unabhängig wirklich arbeitet. Und ja, also wir sind da auf gutem Weg, aber diese Unabhängigkeit halte ich für extrem wichtig. Hans Bürger vom ORF, auch dieselbe Frage im Prinzip – was der ORF ist und macht – versuchen Sie es in zwei Sätzen – das weiß man an sich eh. Was ist aus Ihrer Sicht der Beitrag des ORF zum Thema unabhängige Medien, wie wichtig ist da der ORF aus Ihrer Sicht? Hans Bürger: Nur ganz kurz, bevor ich über das Unternehmen spreche, möchte ich einen Vorsatz noch anbringen. Schönes Doppel: Vorsatz und Vorsatz, also eine Vorbemerkung. Erstens einmal war ich wie der Richard auch bei der KronenZeitung, was vielleicht einige überrascht. Wir haben beide in Linz gearbeitet und darum kennen wir uns. Der „Ferri“ (Ferdinand Wegscheider), der war beim ORF, darum kenne ich ihn – damit wir das auch noch erledigt haben. Ich muss auch alle enttäuschen, die vielleicht glauben: „Na ja, ORF, der ist hundertprozentig über eine Partei da hineingekommen und eine Führungskraft geworden“. Nein, ich habe mitgetan bei dem Talentwett bewerb 1986, den damals noch der Gerd Bacher ausgerufen hat. Und da haben sich sehr viele Menschen beworben, nämlich 4.000, und in Oberösterreich 350. Und in Oberösterreich haben sie dann noch in einem sehr lustigen Verfahren – war wirklich gar nicht so einfach – zwei genommen, aber nicht, weil ich so wahnsinnig „g'scheit“ bin, sondern weil ich eben PrintErfahrung hatte von der KronenZeitung und ein Wirtschaftsstudium. Und sie haben damals jemanden gesucht als Nachfolge für den Kurt Rammerstorfer. Das war mir jetzt deshalb wichtig, dies einzubegleiten, weil ich natürlich weiß, welchen Ruf der ORF zum Teil hat – ich komme aus Oberösterreich. Glauben Sie mir, da muss man auch einiges aushalten, wenn man so im Salzkammergut unterwegs ist, und gerade in Coronazeiten oder wann auch immer. Da musst du schon einiges aushalten, wenn's heißt: „Ich schau' nur den Wegscheider“. Ja, ob Gosar, wenn das stimmt, ob Gosar, [...] da schauen alle ServusTV und oe24. Das heißt, man hat es als ORF nicht so leicht. Was ist die Unabhängigkeit? Wir sind laut Gesetz zur Objektivität verpflichtet. Jetzt, ja, das ist eigentlich unser Grundsatz, und ich möchte eines schon auch noch dazu sagen: Ja, ich bin nie mit allem einverstanden, was im ORF passiert. Aber ich werde hier mit Sicherheit die Meinung vertreten, die mir bis Montag einen Job noch ermöglicht, ja. Weil, ja, ich möchte schon noch ein paar Jahre – es ist mir nämlich was passiert – und dann hör' ich schon wieder auf, ja – also ich schreibe ja auch Bücher und bin immer wahnsinnig offen bei so Diskussionsveranstaltungen – zu offen offenbar – und in der Buchhandlung Moser in Graz habe ich halt so ein bisschen geplaudert über den Sebastian Kurz damals, und das war ein Dummer … – ich habe immer wieder gesagt, das bleibt eh unter uns. Der, der mich interviewt hat, der liebe Kollege Patterer von der „Kleine Zeitung“, der hat’s am nächsten Tag in der Zeitung geschrieben. Und das hätte mir wirklich fast Kopf und Kragen gekostet – also ja, bitte das bei mir immer mitbedenken: Ich werde versuchen, meine persönliche Meinung natürlich einfließen zu lassen, aber als Journalist bin ich – da gibt's jetzt Richtlinien, auch in der Öffentlichkeit zu Objektivität verpflichtet. Ich frage mich zwar bei manchen, die bei uns auf Twitter sind, ob die das auch wissen – aber ja, ich fühle mich der Objektivität verpflichtet. Moderator: Gut also, alles, was hier gesagt wird, lieber Herr Bürger, bleibt unter uns, und nur ein Hinweis, wer die Veranstaltung nachschauen möchte, die wird dann online gestellt, ab spätestens morgen Abend. Der Link dazu ist auf unserer Homepage zu finden. Aber es bleibt im Prinzip unter uns … ja, online unter uns … Ferdinand Wegscheider, dieselbe Frage: ServusTV – was ist der Beitrag von ServusTV zum Thema unabhängige Medien? Wie wichtig ist das aus Ihrer Sicht? Ferdinand Wegscheider: ServusTV ist ja im Verhältnis zum ORF, zu anderen Medien, auch noch ein sehr junger Sender, ein sehr junges Medium. Der hat am 1. Oktober 2009 seinen Sendebeginn erst begonnen – zum Teil ein bisschen aus Salzburg TV hervorgegangen, aber dann doch ein ganz anderer Ansatz, nämlich ein nationaler Sender, der aber auch mit einem interessanteren Programm in Deutschland und der Schweiz zu empfangen ist. ServusTV war am Anfang primär dem hohen Qualitätsanspruch seines Eigentümers Dietrich Mateschitz geschuldet. Das ist, glaube ich, hoffentlich heute noch so. Ich bin zum großen Teil mit schuld, dass es dann 2014/2015 auch in Richtung Nachrichten gegangen ist, weil ich war ja am Anfang bei ServusTV nicht dabei – bin seit 2014 wieder bei Servus; habe als Informationschef angefangen, weil ich dem Herrn Mateschitz einreden konnte, dass der Sender auch Nachrichten braucht. Das wollte er am Anfang nicht, weil er so wie viele Menschen findet, Nachrichten seien so negativ. Hab ich gesagt: „Ja, das stimmt, das sagen alle jeden Tag in der Familie, am Stammtisch. Aber die, die jeden Tag über die Nachrichten jammern, die schauen jeden Tag – die meisten, und deswegen braucht der Sender Nachrichten.“ Und dann haben wir im Frühjahr 2015 eben auch mit Information bei ServusTV begonnen mit einem gleich hohen Qualitätsanspruch und ich hoffe und denke, dass wir mittlerweile eben mit diesem Qualitätsanspruch und journalistischen Prinzipien zur Unabhängigkeit und zur Meinungsvielfalt in Österreich ganz gut beitragen können. Moderator: Roland Tichy – in „Tichys Einblick", das ist das Medium, für das er arbeitet oder er ist quasi das Medium, kann man durchaus so sagen – können Sie vielleicht doch noch ein paar Sätze zu „Tichys Einblick“ sagen, Stichwort online und jetzt auch Print, weil das in Vorarlberg vielleicht nicht alle kennen. Roland Tichy: Aber sehr gerne. Zuerst mal als Person: Ich habe in Salzburg begonnen, aber ich kenne keinen der Beteiligten aus der Zeit beim Salzburger Volksblatt, bis Glattbacher es vernichtet hat. Diesen Einblick haben wir vor sieben Jahren gegründet, weil es mir in dem Kanalboot in Frankreich langweilig war. Es ist dann plötzlich irgendwie gewachsen, immer mehr Leute sind dazu(gekommen). Dann haben wir es professionalisiert. Wir haben heute laut der Untersuchung von Reuters in Deutschland einen rhetorischen Marktanteil, der in etwa der FAZ entspricht und ein Viertel dessen, was der Spiegel hat. Wie Reuters dies errechnet hat, ist mir manchmal auch ein Rätsel, aber gute Zahlen soll man nicht hinterfragen, finde ich. Wir haben daraus vor sechs Jahren das Magazin „Tichys Einblick“ entwickelt, das da in den vorderen Reihen herumliegt. Die Auflage, die im Kiosk aufliegt, ist doppelt so groß wie im Kiosk das Managermagazin Kapital oder Wirtschaftswoche. Das ist natürlich ein ungeheurer Triumph und wir machen eine Talkshow, die in der Spitze 1,6 Millionen Zuschauer hat – das ist ungefähr die Hälfte von den großen ARDSendern: Zurzeit machen wir Sommerpause. Im Oktober wollen wir damit dann wieder anfangen – ist also für einen Hausmeister relativ viel Arbeit, die vielen Türen zu bedienen. Und ich glaube, was das Wesentliche ist in Deutschland, dass wir und auch andere gezeigt haben, dass wir die Chancen der neuen Medien nutzen können, weil die Eintrittsbarrieren doch durch die Elektronik sehr viel niedriger sind und auch natürlich auf andere Art und Weise. Wenn Servus davon profitiert, ist es im Rundfunkurteil 61. In Deutschland hat man gesagt, muss man lauter staatliche Sendungen wie den ORF haben, weil es zu teuer ist für einen privaten, mittlerweile geht's, weil Richard Schmitt und … haben es nachgemacht mit eXXpress die Eintrittshürden, die niedrigen, zu nutzen. Und ich glaube, das ist das, was etablierte Medien wahnsinnig ärgert, weil sie die Ökonomie von Medien nicht begreifen. Und es ist halt so, neue Technologien verbilligen bestimmte Prozesse. Das ruft neue Anbieter auf den Markt. Wir sind einer von denen, wir produzieren anders, wir produzieren auch die Zeitschrift anders, über eine Internetbude, die einmal im Monat die Artikel ausdruckt und die Leute lesen sie gerne. Moderator: Ja, dann kommen wir jetzt einmal ein bisschen zum kritischeren Teil, weil es scheint ja, wenn man es so hört, alles eitel Wonne zu sein, aber natürlich geht es im Journalismus auch um umstrittene Sachen. Frage mal nach Unabhängigkeit – ich beginne mal auf der Seite wieder – Richard Schmitt, Sie sagen selber, Ihr Medium ist ja auch teilweise fremdfinanziert – oder da gibt’s Sponsoren, Gönner dahinter. Ist trotzdem eine Unabhängigkeit möglich aus Ihrer Sicht? Funktioniert das? Richard Schmitt: Ja genau, durch diese Konstruktion, dass es eben eine Stiftung ist, wo Investoren, private Menschen hier sich zum Grundsatz gesetzt haben, diese Unabhängigkeit zu führen. Also wir haben ja eher das Problem, dass etablierte Medien – ich sag's jetzt mal so – die „MainstreamMedien“, wie sie auch oft genannt werden, von Inseratenflüssen, der Bundesregierung, der Stadt Wien oder ähnlichen Institutionen abhängig sind und diese Unabhängigkeit je nach Belieben auch formen. Sagen wir’s einmal mal nett. Und diese Unabhängigkeit hat dann sehr rasch Grenzen. Wir sehen es jetzt zum Beispiel an einem der größten Wirtschaftsskandale, den es meiner Meinung nach gibt, bei der Wien Energie. Also wir profitieren davon, dass wir jeden Tag unabhängig darüber berichten können, ohne Einschränkungen, ohne Restriktionen. Andere Medien versuchen da schon wieder runter zu gehen von ihren Webseiten, von ihren Schlagzeilen, die sie in der „Print“ dann auch haben … Moderator: Wen meinen Sie da konkret? Richard Schmitt: Ja, in den großen Tageszeitungen sieht man das deutlich, also wie das schon wieder verschwindet durch Interventionen. Und ich war selber lange genug bei einer großen Tageszeitung. Ich habe das am eigenen Leib erlebt, wie da interveniert wird. Bis hin zu Entlassungsdrohungen, bis hin zu auch InseratenbudgetEntzug. Ich habe das selbst erlebt beim Krankenhaus Nord, auch ein bekannter Skandal, ist auch nicht um wenig Geld gegangen. 1,4 Milliarden Euro hat das dann im Endeffekt gekostet. Fast das Doppelte als geplant war. Und wenn man dann halt hört, dass die Gesundheitsstadträtin das gesamte Jahresbudget absagt aufgrund der Berichterstattung, dann weiß man, dass man nicht unabhängig ist. Also dann ist das ein massiver Druck, ein wirtschaftlicher Druck auf das Unternehmen. In dem Fall hat die Krone damals, ich nenne es beim Namen, darauf gepfiffen, weil man wirtschaftlich stark genug ist. Und die Stadträtin hat's dann nicht mehr lang gegeben. Aber das ist halt eine relative Ausnahmesituation. Moderator: Würden Sie sagen, Sie können bei solchen Themen unabhängiger berichten als zum Beispiel der ORF, weil der würde dann als Nächster drankommen? Richard Schmitt: Das will ich so nicht sagen. Also ich glaube, da hängt‘s genauso von den Personen, den handelnden Personen beim ORF ab, und auch bei uns. Natürlich ist man in unserem kleinen Land sehr oft mit persönlichen Beziehungen, „Befreundungen“, also die Personen, die man ja auch in der Politik immer wieder trifft. Da gibt es schon diese, ich sag ’s einmal so volksläufig, diese „ Verhadderung“, gell. Und da muss man sehr aufpassen, dass das nicht um sich greift. Und bei älteren Medien ist das oft dann halt mehr der Fall als bei jungen Medien. Aber generell hängt’s an den handelnden Personen. Und beim ORF kann man das genauso sauber und korrekt abhandeln wie bei uns. Moderator: Hans Bürger, werden solche Geschichten beim ORF sauber und korrekt abgehandelt? Oder wie groß ist der Versuch – Sie sind ja als Leiter der Innenpolitikredaktion haben Sie auch direkt mit Politikern zu tun – wie sehr wird da versucht, seitens der Politik, Einfluss zu nehmen? Und wie viel wird dann darauf reagiert oder – noch eine Zusatzfrage – gibt’s auch bei Redakteuren so etwas wie einen vorauseilenden Gehorsam? Beim ORF jetzt? Hans Bürger: Es wird extrem interveniert. Also seit ich im Amt bin und in der „Zeit im Bild“ kann ich sagen: Es ist praktisch fast jede Regierung gleich im Versuch, im Versuch eine bestimmte Berichterstattung herbeizuführen. Und das muss man wirklich einmal auch deutlich sagen! Das ist Wurst, wer da der Bundeskanzler ist. Das ist das Dramatische. Also man kann wirklich nicht sagen, weil da hast du ja besonders den Rotfunk (Linkeparteiliche, einseitige Berichterstattung). Unter Schüssel da war’s absolut nicht anders. Und dass bei Bundeskanzler Kurz, eine sehr kleine aber schlagkräftige Gruppe hinter ihm, auch dafür sorgen wollte – ha, bin ich vorsichtig, oder? – dafür sorgen wollte, dass bestimmte Dinge kommen und bestimmte Dinge nicht kommen, das ist, glaube ich, auch bekannt. Also der Fleischmann, also ehrlich, der steht einer Laura Rudas und Co in nichts nach. Das heißt… Sie merken, gell, wie wahnsinnig schwierig das ist für mich, zu antworten. Aber, und jetzt kommt das große Aber: Was wirklich noch nie jemand gemacht hat, gar keiner – und ich bin seit 1998 längst dienender InnenpolitikChef, überhaupt wahrscheinlich von allen, weltweit von allen öffentlichrechtlichen Fernsehanstalten. Und darum sagen sie: „Wann ist der Bürger endlich weg?“ – aber was wirklich noch nie war, dass vor einer Analyse einer daherkommt und sagt: “Sag das!“ Das hat ein Chefredakteur einmal versucht mit so kleinen Zettelchen, die er mir kurz vor der Analyse hingelegt hat. Ich habe es trotzdem nicht gesagt. Unser Verhältnis war dann wirklich nicht sehr gut. Aber grundsätzlich ist es so, dass man in den Analysen, in den Kommentaren, absolut frei ist. Das war es dann auch schon wieder. In der Berichterstattung wird schon sehr, sehr viel versucht. Da brauchen wir uns überhaupt nichts vorzumachen. Weil ich genau weiß, dass eh Corona kommt, spreche ich es gleich selbst an. Natürlich... Moderator: Ich unterbreche noch kurz. Es wird viel versucht. Wie läuft es in der Praxis ab? Das interessiert, glaube ich, die Leute. Kommt da jemand und ruft an? Hans Bürger: Ja, freilich. Moderator: Kommt einer persönlich vorbei? Schreibt jemand eine Mail? Oder? Hans Bürger: Also den Satz: „Wenn Sie es nicht so machen, dann war es das, bin nämlich Chef der Innenpolitik, das ist dir hoffentlich eh klar“, diesen Satz, habe ich, ich schätze 1000 Mal gehört. Ich könnte jetzt so viele Namen nennen und sie kommen aus allen Parteien, und es waren alle gleich. Moderator: Ja, klar. Hans Bürger: Es waren wirklich alle gleich, und alle zum Teil auch sehr brutal am Telefon. Ja, das läuft zu 99.9 % am Telefon. Es haben sich dann einige angewöhnt, das auf WhatsApp zu machen. Die machen das jetzt nicht mehr, völlig überraschend. Aber das bleibt, ich habe natürlich da einiges, ja. Es ist immer ganz nah bei mir, dieses Ding. Natürlich haben sie irgendwann begonnen das auch per SMS oder WhatsApp zu formulieren. Und dann hängt es halt davon ab, und jetzt sage ich ja, jetzt greife ich das auf, was der Richard gesagt hat. Ich würde schon noch sagen, dass es sehr zum Teil an den handelnden Personen liegt, also ja. „Ja weißt du, dann wird es halt morgen online gestellt“. Aber mir kommt schon vor, dass einige es nicht ganz schaffen, ihre wahre Gesinnung zu verbergen. Moderator: Jetzt habe ich Sie vorher an einer Stelle unterbrochen, als sie das Wort Corona in den Mund genommen haben, und sie haben es noch nicht fertig geredet. Und dazu wollten Sie, glaube ich, auch noch etwas sagen, weil Sie gesagt haben, das kommt ja sowieso, es würde wahrscheinlich auch kommen. Hans Bürger: Ja, es kommt sowieso und darum sage ich es gleich. Weil das war sicher auch für mich die schwierigste Zeit im Unternehmen, muss ich ganz ehrlich sagen. Weil der ORF irgend wann einmal klar gemacht hat, dass wir, und zwar nicht nur der ORF, sondern am Anfang auch die Opposition. Das darf man nicht vergessen, dass wir die Gesundheitspolitik der Bundesregierung jetzt nicht ganz groß in Frage stellen. Erinnern Sie sich, 15. März 2020, eigentlich waren da alle irgendwie, sind einen Weg gegangen, ein paar Wochen lang. Rot... alle sind mitgegangen. Eigentlich auch die meisten Medien, zumindest ein paar Wochen. Und dann kam dieser lustige Osterer lass, der Anschober. Und da sind die Wege dann auseinandergegangen. Und natürlich war es dann so, dass für jene, die gesagt haben: „Achtung wir verlassen da möglicherweise einen objektiven Kurs, möglicherweise“, dass es dann nicht einfach war, in Diskussionen sich unbedingt durch zusetzen. Ich sage ein Beispiel: Ich habe dann irgendwann auch selbst in Vertretung der Ingrid Thurnher ein Politik, wie heißt die Sendung in ORF 3, Politik live? Oder, heißt es, glaub' ich? In ORF 3 am Donnerstag. Das hat lange Zeit die Ingrid Thurnher moderiert, jetzt moderiert es die Lou LorenzDittlbacher, ich habe sie mal vertreten. Und dann haben sie mir sechs Befürworter hinge setzt. Also sechs, die in der Corona, also die bezüglich CoronaMassnahmen alle einer Meinung waren, alle. Dann habe ich gesagt, was soll daraus für eine Diskussion entstehen? „Ja des ist Wurst. Es ist halt so“. Und da habe ich zum ersten Mal gesagt: Ich weiß nicht, ob wir diesen Kurs durchhalten können. Weil auf ServusTV schaut es anders aus. Wenn du im ORF das Wort ServusTV sagst, bist du sowieso schon verdächtig. Aber ich habe gesagt, na ja, die machen das halt. Und jetzt kommt, glaube ich, der entscheidende Unterschied zwischen dem öffentlichrechtlichen Rundfunk und einem Privatsender. Der öffentlichrechtliche Rundfunk geht, was Wissenschaftsberichterstattung betrifft, davon aus: Wir akzeptieren die vorherrschende wissenschaftliche Meinung. Und weil von 100 Personen – Wissenschaftlern – 98 gleicher Meinung sind, dann werden wir doch nicht so deppert sein und genau die zwei einladen, die nicht dieser Meinung sind. Das ist… Ich habe zig Diskussionen mit Günter Mayr geführt, also wir haben wahnsinnig viele Diskussionen geführt und das Argument ist, wenn du das machst, dann lädst du halt 50 Personen ein oder 49 und dann darf es einen Gegner geben. Aber bei fünf stimmen die Proportionen nicht. Und das ist der Unterschied und das muss man diskutieren. Es hat sich aber daran eigentlich relativ wenig geändert. Also bestimmte Leute, die in ServusTV aufgetreten sind – nicht viele, aber einige – nogo bei uns, also überhaupt keine Möglichkeit, wodurch natürlich halt die Diskussionen anders verlaufen sind und dann – ich bin gleich fertig, mich muss man immer stoppen – dann haben sie mir den Kickl (Herbert) eingespielt, das war dann eine Livesendung, plötzlich kam da der Kickl, der böse Kickl, der halt das gesagt hat und da sind alle sechs über den Kickl hergefallen… Und was machst du jetzt als Moderator? Ich kann nicht sagen ‚Ja‘. Dann musst du automatisch dann natürlich die Position übernehmen und sagen, na ja, hat er nicht da und da und da Recht. Dann passiert Folgendes: „Der Bürger, der ist FPÖnah, was ist denn da los?“ Also du musst wahnsinnig aufpassen bei allem, was du machst. Wenn du eine Diskussionssendung leitest und sechs Personen der Meinung sind, die Coronamaßnahmen sind gut, was bleibt da anderes übrig, als den Pfeffer hineinzugeben, was dich natürlich als Moderator unobjektiv macht. Du magst mich jetzt fragen, was die Lösung ist – keine Ahnung! Moderator: Obwohl Herr Bürger relativ lange geredet hat, möchte ich jetzt trotzdem nochmal nachbohren. Roland Tichy: Das ist schon ein bisschen eine intellektuelle Kapitulationserklärung, wenn Sie sagen: „98 % der Wissenschaftler plappern mir das nach.“ Ich meine, Sie sind in Wien, Sie sind in der Stadt, da gab es einen Arzt, der heißt Semmelweis, der hat festgestellt, dass die Frauen, die im Krankenhaus entbunden haben, schneller gestorben sind, als die Frauen, die draußen im Dreck geboren haben. Und da hat er festgestellt, dass es so etwas gibt wie ein „Leichengift“. Und das entsteht, wenn man am Vormittag (in) den Leichen „reinlangt“ (Anmerkung: die Hände an den Leichen verunreinigt) und am Nachmittag den Wöchnerinnen das Baby damit rausholt. Er hat gesagt: „Es muss sowas geben wie ein Leichengift.“ Der ist verfolgt worden, er ist in den Wahnsinn getrieben worden. Weil auch in der Wissenschaft gibt es so etwas wie eine herrschende Lehre, und wer dagegen ansteht, ist ein Außenseiter. Aber der wissenschaftliche Fortschritt ist nicht von den Bestätigern entwickelt worden, sondern von den Außenseitern. Immer von den Außenseitern! Und insofern ist das Abzählen von wissenschaftlichen „JaSagern“ keine journalistische Qualität, sondern journalistische Qualität ist – Entschuldigung, wenn ich Ihnen das so sage, als der Ältere, der ich bin – Sie müssen sich schon bemühen, die Dinge zu durchdringen und auch Gegenmeinungen zu hören. Da liegt man manchmal kräftig daneben, aber die Diskussion bringt es vorwärts und nicht das Abzählen. Ich meine, das ist doch die Blamage, die wir auch in der Coronaphase erlebt haben, dass sich die Wissenschaft täuscht. Das ist eine Ideologisierung der Abzählreime der sogenannten Wissenschaft. „Follow the science“ hat sich blamiert. Wissenschaft ist Diskussion, ist Streit, ist Auseinandersetzung und die Welt ist vorwärtsgekommen, weil sich Leute den Mut herausgenommen haben, dagegen anzutreten und nicht zu sagen: „Ja das ist halt die Mehrheit, da mache ich halt mit.“ Moderator: Da möchte ich gleich etwas dazu sagen. Vielleicht das Zitat „98 % der Wissenschaftler haben diese Meinung, 2 % eine andere“. Sind Sie auch der Meinung… Sie haben nicht direkt in Ihrer Sendung, aber bei ServusTV wurden ja oft dann zwei links, zwei rechts eingeladen, ich sage jetzt zwei Maßnahmenbefürworter und zwei, die das kritisch gesehen haben. Würden Sie auch im Nachhinein dabei bleiben, dass es so richtig ist, oder würden Sie sagen: „Eigentlich war das Verhältnis schon 98:2 und wir haben es trotzdem 2:2 dargestellt“. Oder stimmt das Verhältnis viel leicht auch gar nicht? Ferdinand Wegscheider: Also zum einen sehe ich das natürlich genau so, dass wesentliche Errungenschaften in der Wissenschaft, und vorher auch in der Medizin, seit Jahrhunderten immer von den Außenseitern gekommen sind. Zum anderen, was mich als Journalist in diesen zweieinhalb Jahren schon auch bewegt hat beim Recherchieren, ist , dass es eben nicht nur ein Semmel weis war, oder zwei von hundert waren, sondern es war wirklich von Nobelpreisträgern abwärts und von den bis vor zweieinhalb Jahren meist zitierten Virologen weltweit, wie Ioannidis, der war der meistzitierte Virologe weltweit. Die sind über Nacht, laut Herr Günther Mayr, Wissenschaftschef vom ORF, offensichtlich zu Quacksalberidioten verblödet. Da frage ich mich: „Wie kann ein Journalist, wie kann ein Sender wirklich der Meinung sein, ‚Trust the science’, ‚wir haben die einzige Wahrheit’?“ Das verstehe ich nicht. Moderator: Hans Bürger: Also ich habe – wird dir vielleicht jetzt nicht gefallen – aber ich bin mit Günther sehr eng befreundet, mit Günther Mayr – aber wir haben darüber extrem viele Diskussionen gehabt, zum Teil auch in der Öffentlichkeit. Wir haben nämlich ein Buch miteinander geschrieben. „Knockdown“ heißt das – ist gar nicht so teuer – zum Wissenschaftsteil habe ich gar nichts geschrieben, sondern ich habe nur – ich habe mal Volkswirtschaft studiert, habe den wirtschaftlichen und den politischen Teil geschrieben. Es gibt zum Teil ganz gute Einblicke, wie damals das Krisenmanagement funktioniert hat. Der Günther kommt mir dann sofort mit „Die Erde, sie ist eine Scheibe“ Argument und sagt da: „Würdest du, wenn von hundert sagen, die Erde ist rund, und zwei sagen, sie ist eine Scheibe, würdest du die beiden oder einen der beiden Scheibenverfechter einladen?“ „Nein“, habe ich gesagt, „natürlich nicht“. Und das ist ein bisschen so das Hauptargument, jetzt sehr stark vereinfacht. Es gibt natürlich eine sogenannte Schulmedizin und natürlich gibt es auch andere Medizin, aber das Problem ist halt immer die Verhältnismäßigkeit. Diesen Fall, weiß ich gar nicht, ob der Günther das zu verantworten hat, dass der dann niedergemacht wird. Moderator: Das Problem ist, dass da jemand, der anerkannt ist, wie der Ioannidis zum Beispiel. Auf einmal wird der in eine Schublade gesteckt, dass man sagt: „Der ist einer, der sagt: ‚Die Erde ist eine Scheibe’.“ Und wenn heutzutage jemand im Jahr 2022 sagt: „Die Erde ist eine Scheibe“, dann kann man ihn nicht ernst nehmen, denke ich jetzt. Da herrscht Konsens. Aber wenn jemand sagt: „Die Maßnahmen sind vielleicht übertrieben“, wie Ioannidis es z.B. gesagt hat, dann ist es denn ein „Die Erde ist eine Scheibe“ Mensch, der nicht gehört werden muss oder kann man den ... Roland Tichy: Lasst uns doch mal festhalten, dass es die Scheibenvertreter waren, die die Kugelvertreter auf dem Scheiterhaufen verbrannt haben. Richard Schmitt: Also ich glaube, man muss das eben differenzierter sehen, um diese – da sind wir wieder beim unabhängigen Journalismus – ich glaube, dass der Journalismus gar nicht dazu jetzt auserkoren ist, über wissenschaftliche Details zu spekulieren oder eine Linie vorzugeben. Das Wichtige ist, dass man den Diskurs offen lässt und auch sich das vor Ort anschaut. Ich habe das erlebt bei diesen Demonstrationen der Coronamaßnahmen Gegner, wie die vom ORF aber auch von anderen großen Medien sofort als Nazis, Randalierer, Rechtsextreme sowieso, als Irre, auch mit der richtigen Auswahl der Fotos dazu, sofort verteufelt worden sind. Ich habe mir das selber angeschaut. Ich war nicht weit weg von unserer Redaktion. Wir waren am Heldenplatz in so einem Museumsquartier. Da waren ganz normale Menschen dabei. Damen im Lodenmantel, Herren, Anwälte, ganz normal. Man hat auch mit denen ganz normal reden können. Die haben echte Sorgen gehabt, wirklich, die man auch wahrnehmen muss. Und da haben viele Medien – muss ich wirklich sagen – einen schweren Fehler gemacht, genau das, was man ihnen eh schon vorgeworfen hat. Also diese Meinungsmache, diese FakeNews, dieses an der Bevölkerung Vorbeizuschreiben, das wurde in dieser Zeit massiv intensiviert. Man hat da natürlich diese Chance nutzen können. ServusTV hat das super gemacht mit einer unabhängigen Berichterstattung, vor Ort Berichterstattung, wie man auch in unseren Kamerateams tut. Das ist dann eben schon die Aufgabe eines unabhängigen Journalismus. Und das ist beim ORF dann halt ein gewisser voraus eilender Gehorsam. Über den müssen wir noch speziell reden. Den gibt es nämlich in den großen Medienhäusern, dass man gar nichts sagen muss, gar keine Anweisung geben muss, weil die Redakteure ja schon alle wissen, wer Abteilungsleiter werden will oder Ressortleiter werden muss, dann muss ich eh brav sein und das, was der Chef denkt oder wer er immer auch ist, das muss ich erfüllen. Und das ist das große Problem, das wir bei vielen Medien haben. Und da waren für mich diese Demos das beste Beispiel. Moderator: Jetzt habe ich gleich an dieser Stelle etwas dazu, weil wir vorher von 98:2 etwas gesagt haben. Die Runde ist überhaupt nicht so besetzt, dass sie jetzt quasi ausgewogen besetzt wäre, weil es sind von den Vertretern, die sind aus bestimmten Gründen hier. Aber diejenigen, die die ORFBerichterstattung auch kritisch sehen, würde ich sagen 3:1 im Verhältnis. Das heißt, der Hans Bürger hat einen schweren Stand und jetzt auch vom Wortanteil her geht es überproportional etwas in eine Richtung. Aber ich finde, es müssen ja nicht immer die Minuten gezählt werden und der Herr Bürger wird das aushalten. Er war sich auch dessen bewusst. Ich stelle eine konkrete Frage: Als am 15. März diese Pressekonferenz war damals... Roland Tichy: Entschuldigung, machen wir jetzt eine BürgerBefragung oder machen wir eine Podiumsdiskussion? Moderator: Ja, okay. Roland Tichy: Können wir ja machen. Moderator: Nein. Roland Tichy: Es war bloß eine Frage. Moderator: Ich würde dem Herr Bürger eine Frage stellen, dann mit Ihnen weitermachen. Roland Tichy: Sehr gnädig, danke. Moderator: So bin ich. Und zwar: Da war dann diese Bitte vom damaligen Innenminister Nehammer – jetzt habe ich leider den genauen Wortlaut nicht mehr im Kopf – so sinngemäß, in dem Moment, wo es um den Lockdown gegangen ist: „Wir brauchen jetzt keine kritischen Medien, sondern wir brauchen jetzt die Unterstützung der Medien.“ Und da war dann auch, glaube ich, bei der PK, bei der Pressekonferenz, nur der ORF zugelassen und die APA, glaube ich. Und der ORF hat dann wirklich, glaube ich, kann man sagen, den Innenminister unterstützt und nicht kritisch hinterfragt. Würden Sie das im Nachhinein als Fehler bezeichnen oder würden Sie es wieder so machen? Hans Bürger: Also eines muss ich jetzt da schon sagen zu meiner Verteidigung. Ich bin nicht der Generaldirektor, ich bin nicht der Informationsdirektor und ich bin nicht der Chefredakteur. Also... Moderator: Ne, nein, es ist schon wichtig, das auch zu sagen. Hans Bürger: Ich bin auf der vierten Ebene. Das heißt... [fehlender Teil, es sprechen beide gleich zeitig, unverständlich]... wenn der ORF live übertragen wird als live, dann wird es live übertragen, also dann braucht es schon sehr viele Skeptiker, um das noch abzuwenden. Was ich sage, wo der Fehler bei uns, glaube ich, gelegen ist, dass wir viel zu viel live übertragen haben. Weil natürlich das sogenannte virologische Quartett – haben wir es dann genannt – die dort eine Stunde lang bis zu eineinhalb Stunden lang, die Möglichkeit hatten, einfach dahin zureden. Und ich glaube, so kann man es wahrscheinlich nicht machen. Das sehen bei uns alle anders. Und sie sehen es auch deshalb anders, weil zum Beispiel oe24 alles live übertragen. Das heißt, wir kommen da in eine unglaublich schwierige Situation hinein. Entweder wir sagen, weniger live, dann gehen die Leute zu den LiveSendern – ich sage, man muss aufpassen, was konkret man live überträgt, weil du sonst irgendwann mal Probleme mit der Regierung bekommst. Also ich würde das wahrscheinlich, wenn ich es entscheiden könnte, ein bisschen anders machen. Moderator: Gut, Herr Tichy, jetzt aber sind Sie am Wort. Roland Tichy: Na, stellen Sie eine Frage, also... Ferdinand Wegscheider: Ich möchte direkt was darauf sagen. Also ganz ehrlich gesagt, Hans, ich glaube, es ist völlig wurst, ob der ORF live übertragen wird, oder wie viel, wie lange live übertragen wird. Das ist völlig wurst. Die Frage und der journalistische Ansatz, die Freiheit der Unabhängigkeit ist nicht, ob ich eine Regierungspressekonferenz live übertrage, sondern was ich dann damit mache. Und wenn ich dann in der Folge, nach der Regierungspressekonferenz und mittlerweile zweieinhalb Jahre lang eins zu eins nachbete, was die Regierung sagt und dann täglich dem Herrn Wissenschaftschef nachbeten lasse, was die Regierung sagt und täglich, tagtäglich seit zweieinhalb Jahren nur Experten einlade, die das auch nachreden. Keine einzige Gegenstimme. Das ist das Problem. Moderator: Das war jetzt in Österreich. Wie erleben Sie das in Deutschland? Roland Tichy: Ich will an einem anderen Punkt ansetzen und zwar: Wie ist es mit der Freiheit des Journalismus oder der Medienfreiheit? Da gibt es ein paar harte und ein paar weiche Faktoren. Der erste, härteste ist das Recht. Wir haben in Deutschland – Österreich ist sehr ähnlich – ein sehr liberales Medienrecht. Allerdings muss man in den Ländern kämpfen wie ein Löwe. Wir haben ein sehr schmales Budget. Ich habe das Unternehmen ja selbst gegründet mit tausend Euro im Monat. Aber wir verwenden 10 % unseres Budgets für Anwalts und Gerichtskosten. Ich sehe schon, wie die Anwälte jetzt gierige Augen kriegen. Weil wir haben zum Beispiel letzte Woche ein Verfahren gewonnen gegen die Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring Eckardt, die uns untersagen wollte, dass wir uns über sie lustig machen. Wir dürfen uns über sie lustig machen. Jemand aus dem Publikum: Bitte weiter! Roland Tichy: Wir haben ein ähnliches Verfahren gegen Sawsan Chebli, eine palästinensische Staatssekretärin in Berlin verloren. Über die dürfen wir uns nicht lustig machen. Ich glaube, dass in Deutschland die faktische Pressefreiheit niedriger ist als im Kaiserreich. Im Kaiserreich gab es aus München den Simplicissimus, der in unglaublich scharfer Art und Weise die damals herrschende Klasse aus Militärs, Adel und so, kritisierte. Das wäre heute de facto nicht mehr möglich, aber es ist noch relativ möglich. Das Zweite ist die wirtschaftliche Unabhängigkeit. Da haben wir ein bisschen darüber geredet. Und jetzt mehr aus deutscher Perspektive, das deutsche öffentlichrechtliche Fernsehen, das Pendant zum ORF, ist mit 8,6 Milliarden Euro im Jahr ausgestattet. Das entspricht dem Bruttosozialprodukt aller afrikanischen Staaten südlich der Sahelzone ohne Südafrika. Also wir könnten ganz Afrika öffentlichrechtlich durchfüttern, ernähren und alles andere. Wir müssten es nur wollen. Wir wollen es aber nicht, wir verblasen es lieber. Also, und trotzdem, einer neuen Umfrage zu Folge, die wir am kommenden Samstag veröffentlichen, sollen 60 % der Deutschen der unabhängig … ist nicht das, was wir mit ARD und ZDF verbinden, sondern wir verbinden damit Abhängigkeit. Also Geld allein, harter Faktor, bringt es auch nicht. Denn wenn es nur ums Geld ginge, wären ARD und ZDF die größten Freunde und die größte Freude der Pressefreiheit. Ich glaube, es ist etwas, was wir im Kopf brauchen. Nämlich dass man sich unabhängig gibt und unabhängig macht und auch bereit ist, dafür zu streiten und als Straßenkämpfer fast aufzutreten und nicht immer zu sagen: „Ja, ja, aber ich muss aufpassen, was mein Intendant dazu sagt.“ Also da hört es doch schon auf. Also wir müssen die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit, nicht als Geschenk betrachten, die wir in Deutschland von den Amerikanern geschenkt gekriegt haben, sondern wir müssen sie täglich verteidigen. Und wenn wir das nicht wollen, dann ist etwas im Kopf falsch. Und deswegen wäre meine Bitte: Lass uns doch darüber sprechen, warum engen wir uns so ein und quälen und fahren so Kurven, statt dass wir einfach sagen: „Wir fragen den einen und fragen den andern und bitte, Zuschauer, bilde du dir deine Meinung.“ Richard Schmitt: Zu der Unabhängigkeit und der Freiheit der Presse möchte ich eine kleine Geschichte erzählen, weil es hängt natürlich immer am Geld auch. Das ist der „Wegscheider“. Das wissen wir ja alle. Und ich hatte da mal einen netten Termin, das ist schon länger her, zehn Jahre, es war keine schwarze Regierung, bei einem Medienstaatssekretariat. Und der hat zu mir in einem Gespräch gesagt: „Wie würdest denn du die Inserate verteilen?“ Ich hab‘ dann nicht gesagt: „Gib 90 % der Krone“, sondern ich habe gesagt: „Objektiviert es doch. Ladet ein Journalisten, Publizisten, Professoren aus ganz Europa, die machen ein Punktesystem nach Auflage, nach Arbeitsplätzen, nach politischer Bedeutung und, und, und...“. Da haben sie gesagt: „Ja, das klingt ganz gut. Ja, dann hat der ORF zehn Punkte, die Krone acht Punkte, usw., usf.“ Dann sagt er, kurz überlegt: „Dann braucht es uns ja nicht mehr.“ Und das ist der Punkt. Man will ja diese politische Macht weiter ausüben und das ist das große Problem in Österreich. Ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, aber ich glaube schon, dass es in Österreich besonders dramatisch ist, dass man hier diese Macht, diesen Zugriff auch ausüben will. Darum gibt es auch weiter die GISGebühren, weil da kann man bei jeder Diskussion so oder so machen. Sind wir halt für die GISGebühren, sagen wir mal, können wir zum ORF Chef sagen: „Na ja, wir haben dich auch unterstützt bei den GISGebühren oder bei wieder 8 % Erhöhung. Oder man sagt: „Diskutieren wir mal über die GISGebühren“ – na ja, dann kann man schon wieder die Daumen schraube ansetzen. Und es geht prinzipiell über das Geld und das muss mal objektiviert werden. Moderator: So... Roland Tichy: Ja, aber ich habe auch ein Bedenken dagegen. Ich würde einem Politiker nicht vorwerfen, und auch einem Unternehmer nicht, wenn er versucht, auf Medieninhalte Einfluss zu nehmen. Das ist sein Geschäft. Das muss er machen. Richard Schmitt: Einfluss zu nehmen ja, aber mit Argumenten. Nicht mit Geld und nicht mit Erpressung. Roland Tichy: Erpressung ist überschritten, aber natürlich, [ich] würde es auch mit Geld versuchen. Ich finde, wir sollten uns heraus bewegen aus einer Pippi Langstrumpf… alle lieb zueinander sein... Wir sind Pippi Langstrumpf. Wir müssen einfach bereit sein, dagegen anzutreten. Wir müssen uns wehren. Wenn wir erwarten, dass Politiker uns liebhaben und uns ausgewogen behandeln, dann haben wir schon verloren. Es ist ein Kampf. Meinungsfreiheit, Pressefreiheit ist ein ständiger, täglicher Kampf und am besten ist, wenn wir die anderen akzeptieren und sagen: „Es ist euer Interesse, uns zu beeinflussen und meines, mich nicht beeinflussen zu lassen.“ Und in diesem Konflikt müssen wir ständig kämpfen. Natürlich ist es schön, wenn man viel Geld im Kreuz hat. Eh, das hilft einem dabei und manchmal muss man leider auch gewisse Sünden begehen. Das wäre jetzt völlig verkehrt, wenn man so tut: „Hier sitzt der Erzengel Gabriel mit dem Feuerschwert.“ Nein, ist leider nicht so. Sondern es ist ein ständiger Prozess des Abwägens, des Kämpfens, der Auseinandersetzung, aber ich glaube, wir wollen ja für junge Journalisten was abliefern: „Ihr müsst kämpfen, ist die Botschaft. Es wird euch nicht geschenkt.“ Und das ist die entscheiden de Botschaft: „Es wird euch nicht geschenkt, ihr müsst es euch nehmen.“ Ich war nach der Wiedervereinigung für den ostdeutschen Rundfunk zuständig. Das war ein reiner Propagandaapparat der SED [Sozialistische Einheitspartei Deutschlands] Und es war ganz schwierig, den Journalisten zu sagen: „Ihr seid jetzt frei! Ihr dürft uns kritisieren, mich auch. Ich muss das aushalten.“ Es gibt Grenzen der Beleidigung. Aber die sind trotzdem mit der Dachlatte gekommen. Auch das haben wir geschafft. Aber die Freiheit sich zu nehmen, zu sagen, zu schreiben, zu senden, was richtig ist, das muss in den Köpfen verankert werden. Und wenn wir anfangen zu sagen: „Da machen wir Einschränkungen, das muss der Intendant erlauben, und das Geld muss da sein, usw. usf.“. Das ist alles wahr, aber es ist die zweite Wahrheit.
von dd.
1. Internationaler JournalistenKongress im Festspielhaus Bregenz, 1. – 2. Sept. 2022 https://www.ijk-bregenz.at/
Mitglied des obersten Verwaltungsorgans seit 20.03.2019: Dr. Dominik Alexander Schatzmann https://www.moneyhouse.ch/de/company/libertatemstiftung18269781159
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