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Guten Abend, verehrte Zuschauer. Donnerstag vorletzter Woche fällte Islands oberster Gerichtshof ein historisches Urteil. Vier Bankmanager wurden zu Haftstrafen zwischen vier und fünfeinhalb Jahren verurteilt und zwar wegen betrügerischer Marktmanipulationen und Untreue.
Island stand 2008 vor einem Schuldenberg, der dem 10-fachen des jährlichen Bruttoinlandproduktes entsprach, also in Höhe von 1.000%.
Internationale Währungsfonds (IWF) verlangten damals von der isländischen Regierung in Reykjavik, dass über den Weg der Einlagensicherung diese Schulden sozialisiert, also auf die isländische Bevölkerung abgewälzt werden sollten.[weiterlesen]
Guten Abend, verehrte Zuschauer. Donnerstag vorletzter Woche fällte Islands oberster Gerichtshof ein historisches Urteil. Vier Bankmanager wurden zu Haftstrafen zwischen vier und fünfeinhalb Jahren verurteilt und zwar wegen betrügerischer Marktmanipulationen und Untreue.
Das sind die härtesten Strafen, welche in Islands Justizgeschichte, im Bereich der Wirtschaftskriminalität, je verhängt worden sind. Das Verfahren unter dem Aktenzeichen 145/2014 war aber gerade deshalb historisch und außergewöhnlich, weil sich Bankdirektoren persönlich für die von ihnen veranlassten Betrügereien, mit denen sie Gläubiger, Investoren, Sparer, aber auch die Regierung geschädigt hatten, verantworten mussten und diese nicht auf die Bankinstitute abschieben konnten.
Island stand 2008 vor einem Schuldenberg, der dem 10-fachen des jährlichen Bruttoinlandproduktes entsprach, also in Höhe von 1.000%. Zum Vergleich: Das angeschlagene Griechenland hat heute eine Staatsverschuldung von 175 Prozent des jährlichen Bruttoinlandproduktes. Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangten damals von der isländischen Regierung in Reykjavik, dass über den Weg der Einlagensicherung diese Schulden sozialisiert, also auf die isländische Bevölkerung abgewälzt werden sollten.
Dass Reykjavík sich aber dagegen wehrte, war pure Verzweiflung.
„Beim Zweifachen des BIP hätte man darüber vielleicht reden können“, sagte der damalige Finanzminister Steingrímur J. Sigfússon rückblickend: „Aber eine zehnfache Überschuldung? Da hatten wir keine andere Wahl, als ,Nein‘ zu sagen. Es waren die Schulden, pleitegegangener privater Banken, die diese in EU-Ländern mittels verantwortungslosen und betrügerischen Geschäften aufgehäuft hatten und diese Institute sollten auch dafür bezahlen oder eben pleitegehen“, so der Finanzminister weiter.
Die isländische Regierung konnte damals auch gar nicht anders. Dafür sorgte nämlich das isländische Volk. Die Bevölkerung ging nach dem Crash 2008 auf die Straße. Mit der sogenannten „Kochtopfrevolution“ jagten sie nicht nur die für die Finanzen mitverantwortliche Regierung davon. Mit Hilfe von Dauerdemonstrationen und über Volksabstimmungen stoppten sie anschließend auch noch jeden Versuch, dem Staat auch nur einen Teil der Bankschulden aufzuhalsen. „Kompromisse“ zu Lasten Islands, die von Reykjavík mit den Hauptgläubigerländern, Großbritannien und den Niederlanden, ausgehandelt wurden und vom Parlament abgesegnet worden waren, wurden kurzerhand mit einem Referendums-Nein von sage und schreibe 94 Prozent wieder gekippt.
Da half es auch nichts, dass Großbritannien sogar seine Antiterrorgesetzgebung bemühte, um Island auf eine Stufe mit al-Qaida zu stellen und sämtliche Guthaben des Landes einfrieren zu lassen. Das heizte den Widerstandswillen auf Island eher noch an. Von Prophezeiungen, man mache sich zum Kuba oder zum Nordkorea des Nordens, ließen sie sich nicht einschüchtern.
Nachdem alle Erpressungsversuche der vereinten Front der EU-Staaten und des IWF gegen Island nichts genutzt hatten, gingen London und Den Haag nun den Weg des Gerichtes und klagten auf Zahlung durch Island. Doch wegen Lücken in der EU-Bankendirektive wurde 2013 vom Gerichtshof der Europäischen Freihandelszone die isländische Staatshaftung endgültig abgelehnt.
„Man kann sagen, dass Island den Weltrekord im Schuldenerlass hält“, sagt Lars Christensen, Chefanalytiker der Danske Bank in Kopenhagen. Wirtschaftsprofessor Matthíasson stimmt ihm zu: „Wenn es in anderen Ländern um die Abschreibung von Schulden geht: Von Islands Krise könnten sie eine Lektion lernen.“
„Der Erfolg unorthodoxer Antworten auf die Krise.“
Ironischerweise scheint dies nun auch der IWF nachträglich so zu sehen. Auf einen IWF-Kredit von zehn Milliarden Dollar war zwar Island angewiesen, um im chaotischen ersten Jahr nach dem Crash nicht Bankrott zu gehen. Worauf Reykjavík aber peinlich achtete, waren die daran geknüpften Bedingungen, auf die man sich einließ. Das Sozialsystem musste zwar „Federn lassen“, aber der Kern blieb intakt. Das IWF-Ansinnen eines total radikalen sozialen Kahlschlages lehnte man ab.
„Was soziale Gerechtigkeit angeht, stehen wir in allen internationalen Vergleichen weiterhin ganz oben“, konnte Ministerpräsidentin Jóhanna Siguršardóttir zum Jahreswechsel 2013 bilanzieren. Island wandelte sich in Rekordzeit vom vermeintlich abschreckenden Beispiel dafür, wie man Märkte und Finanzinstitutionen nicht provozieren und Banken keinesfalls pleitegehen lassen sollte, zum weithin gelobten Vorbild. Als die Ratingagentur Fitch die Bonität Islands 2012 wieder heraufstufte, begründete sie das explizit mit „dem Erfolg unorthodoxer Antworten auf die Krise“. Aus einem Negativwachstum von minus sieben Prozent im Jahr 2009 war es drei Jahre später ein Plus von knapp drei Prozent geworden, womit man deutlich über dem der Eurozone lag. Die Isländische Krone hat sich nun wieder, anstelle eines Minus gegenüber Euro und Dollar von 25 bis 30 Prozent, auf Vorkrisenzeiten- Niveau stabilisiert. Die Arbeitslosenrate liegt bei traumhaften vier Prozent und Inflation ist kein Thema mehr.
Dieser Weg zeigt uns eins: Die Völker müssen raus aus dem erpresserischen Credo der Banken und des IWF, welche einen Schuldenschnitt zu Lasten der Banken verhindern und die Schulden lieber sozialisieren und auf die Bevölkerung abwälzen wollen.
Island hat es uns vorgemacht, indem man die angeblich systemrelevanten Privatbanken pleitegehen lässt. Das Leben geht weiter und zwar erfolgreicher, als wenn ein Land bis aufs Letzte ausgesaugt wird, um die Gier der Gläubiger zu befriedigen. Bravo Island!
Wir danken recht herzlich für die Aufmerksamkeit und wünschen Ihnen einen schönen Abend.
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20.03.2015 | www.kla.tv/5580
Guten Abend, verehrte Zuschauer. Donnerstag vorletzter Woche fällte Islands oberster Gerichtshof ein historisches Urteil. Vier Bankmanager wurden zu Haftstrafen zwischen vier und fünfeinhalb Jahren verurteilt und zwar wegen betrügerischer Marktmanipulationen und Untreue. Das sind die härtesten Strafen, welche in Islands Justizgeschichte, im Bereich der Wirtschaftskriminalität, je verhängt worden sind. Das Verfahren unter dem Aktenzeichen 145/2014 war aber gerade deshalb historisch und außergewöhnlich, weil sich Bankdirektoren persönlich für die von ihnen veranlassten Betrügereien, mit denen sie Gläubiger, Investoren, Sparer, aber auch die Regierung geschädigt hatten, verantworten mussten und diese nicht auf die Bankinstitute abschieben konnten. Island stand 2008 vor einem Schuldenberg, der dem 10-fachen des jährlichen Bruttoinlandproduktes entsprach, also in Höhe von 1.000%. Zum Vergleich: Das angeschlagene Griechenland hat heute eine Staatsverschuldung von 175 Prozent des jährlichen Bruttoinlandproduktes. Die EU und der Internationale Währungsfonds (IWF) verlangten damals von der isländischen Regierung in Reykjavik, dass über den Weg der Einlagensicherung diese Schulden sozialisiert, also auf die isländische Bevölkerung abgewälzt werden sollten. Dass Reykjavík sich aber dagegen wehrte, war pure Verzweiflung. „Beim Zweifachen des BIP hätte man darüber vielleicht reden können“, sagte der damalige Finanzminister Steingrímur J. Sigfússon rückblickend: „Aber eine zehnfache Überschuldung? Da hatten wir keine andere Wahl, als ,Nein‘ zu sagen. Es waren die Schulden, pleitegegangener privater Banken, die diese in EU-Ländern mittels verantwortungslosen und betrügerischen Geschäften aufgehäuft hatten und diese Institute sollten auch dafür bezahlen oder eben pleitegehen“, so der Finanzminister weiter. Die isländische Regierung konnte damals auch gar nicht anders. Dafür sorgte nämlich das isländische Volk. Die Bevölkerung ging nach dem Crash 2008 auf die Straße. Mit der sogenannten „Kochtopfrevolution“ jagten sie nicht nur die für die Finanzen mitverantwortliche Regierung davon. Mit Hilfe von Dauerdemonstrationen und über Volksabstimmungen stoppten sie anschließend auch noch jeden Versuch, dem Staat auch nur einen Teil der Bankschulden aufzuhalsen. „Kompromisse“ zu Lasten Islands, die von Reykjavík mit den Hauptgläubigerländern, Großbritannien und den Niederlanden, ausgehandelt wurden und vom Parlament abgesegnet worden waren, wurden kurzerhand mit einem Referendums-Nein von sage und schreibe 94 Prozent wieder gekippt. Da half es auch nichts, dass Großbritannien sogar seine Antiterrorgesetzgebung bemühte, um Island auf eine Stufe mit al-Qaida zu stellen und sämtliche Guthaben des Landes einfrieren zu lassen. Das heizte den Widerstandswillen auf Island eher noch an. Von Prophezeiungen, man mache sich zum Kuba oder zum Nordkorea des Nordens, ließen sie sich nicht einschüchtern. Nachdem alle Erpressungsversuche der vereinten Front der EU-Staaten und des IWF gegen Island nichts genutzt hatten, gingen London und Den Haag nun den Weg des Gerichtes und klagten auf Zahlung durch Island. Doch wegen Lücken in der EU-Bankendirektive wurde 2013 vom Gerichtshof der Europäischen Freihandelszone die isländische Staatshaftung endgültig abgelehnt. „Man kann sagen, dass Island den Weltrekord im Schuldenerlass hält“, sagt Lars Christensen, Chefanalytiker der Danske Bank in Kopenhagen. Wirtschaftsprofessor Matthíasson stimmt ihm zu: „Wenn es in anderen Ländern um die Abschreibung von Schulden geht: Von Islands Krise könnten sie eine Lektion lernen.“ „Der Erfolg unorthodoxer Antworten auf die Krise.“ Ironischerweise scheint dies nun auch der IWF nachträglich so zu sehen. Auf einen IWF-Kredit von zehn Milliarden Dollar war zwar Island angewiesen, um im chaotischen ersten Jahr nach dem Crash nicht Bankrott zu gehen. Worauf Reykjavík aber peinlich achtete, waren die daran geknüpften Bedingungen, auf die man sich einließ. Das Sozialsystem musste zwar „Federn lassen“, aber der Kern blieb intakt. Das IWF-Ansinnen eines total radikalen sozialen Kahlschlages lehnte man ab. „Was soziale Gerechtigkeit angeht, stehen wir in allen internationalen Vergleichen weiterhin ganz oben“, konnte Ministerpräsidentin Jóhanna Siguršardóttir zum Jahreswechsel 2013 bilanzieren. Island wandelte sich in Rekordzeit vom vermeintlich abschreckenden Beispiel dafür, wie man Märkte und Finanzinstitutionen nicht provozieren und Banken keinesfalls pleitegehen lassen sollte, zum weithin gelobten Vorbild. Als die Ratingagentur Fitch die Bonität Islands 2012 wieder heraufstufte, begründete sie das explizit mit „dem Erfolg unorthodoxer Antworten auf die Krise“. Aus einem Negativwachstum von minus sieben Prozent im Jahr 2009 war es drei Jahre später ein Plus von knapp drei Prozent geworden, womit man deutlich über dem der Eurozone lag. Die Isländische Krone hat sich nun wieder, anstelle eines Minus gegenüber Euro und Dollar von 25 bis 30 Prozent, auf Vorkrisenzeiten- Niveau stabilisiert. Die Arbeitslosenrate liegt bei traumhaften vier Prozent und Inflation ist kein Thema mehr. Dieser Weg zeigt uns eins: Die Völker müssen raus aus dem erpresserischen Credo der Banken und des IWF, welche einen Schuldenschnitt zu Lasten der Banken verhindern und die Schulden lieber sozialisieren und auf die Bevölkerung abwälzen wollen. Island hat es uns vorgemacht, indem man die angeblich systemrelevanten Privatbanken pleitegehen lässt. Das Leben geht weiter und zwar erfolgreicher, als wenn ein Land bis aufs Letzte ausgesaugt wird, um die Gier der Gläubiger zu befriedigen. Bravo Island! Wir danken recht herzlich für die Aufmerksamkeit und wünschen Ihnen einen schönen Abend.
von k-hc.
http://www.taz.de/1/archiv/digitaz/artikel/?ressort=a2&dig=2015%2F02%2F21%2Fa0156&cHash=01784131a0aa2afc5949628dbd7a3f2e