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Besteht die Gefahr einer Islamisierung Europas? – Teil 1
Am 6. Februar 2016 fand in Dresden und weiteren europäischen Städten der von Pegida und anderen „islamfeindlichen“ Bündnissen organisierte „Aktionstag“ gegen den politischen Islam sowie gegen die Aufnahme von Flüchtlingen statt. [weiterlesen]
Am 6. Februar 2016 fand in Dresden und weiteren europäischen Städten, der von Pegida und anderen „islamfeindlichen“ Bündnissen organisierte „Aktionstag“ gegen den politischen Islam sowie gegen die Aufnahme von Flüchtlingen statt. In Dresden sollen nach Angaben einer Forschungsgruppe rund 8.000 Menschen teilgenommen haben. Laut der deutschen Nachrichtenagentur "dpa" soll eine Gegendemonstration wesentlich lautstärker gewesen sein. Eines ist klar: Die Gefahr einer „Islamisierung Europas“ scheidet die Geister. Gemäß der "ZDFzeit"-Doku „Wie viel Islam verträgt Deutschland?“ vom 24. November 2015 zeigten Umfragen, dass die Hälfte der deutschen Bevölkerung Angst vor dem Islam habe. Im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise wachse wieder die Angst vor einer Islamisierung. Doch inwiefern ist die Angst vor einer Islamisierung gerechtfertigt und wie ist „der Islam“ eigentlich grundsätzlich zu verstehen? Im Laufe der Geschichte haben sich innerhalb des Islams zahlreiche Strömungen herausgebildet, die sich hinsichtlich ihrer religiösen und politischen Lehren unterscheiden – ja sogar widersprechen und bekämpfen. Grundsätzlich muss festgestellt werden: 1. Der Islam ist ein komplexes Gebilde, und 2. Islam ist nicht gleich Islam. Während die einen mit sogenannten Suren – d.h. Versen – aus dem Koran zitieren, die belegen sollen, dass der Islam nichts anderes als eine Religion des Schwerts und der Gewalt sei, lassen sich andere von Suren leiten, die den Koran in einem anderen Licht erscheinen lassen: Der Islam habe mit Gewalt nichts zu tun. Beispielsweise werden in einem Online-Artikel des deutschen Programms des iranischen Radio IRIB diejenigen Suren hervorgehoben, die beweisen sollen, dass der Islam keine Gewalt und keine Verbreitung von Furcht und Schrecken befürworte. Eine hilfreiche Differenzierung machte der marokkanisch-stämmige Ali Ghandour. Ghandour studierte an der Universität Leipzig Arabistik und Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Islamwissenschaft. Seit 2012 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für Islamische Theologie in Münster, kurz ZIT. Ghandour unterscheidet zwischen dem Islam als Religion einerseits und dem Islam als Ideologie anderseits. Der religiöse Islam beinhalte folgende Aspekte: überrationale, irrationale, emotionale, das „Sufitum“ – d.h. eine mystische, spirituelle Orientierung als untrennbarer Bestandteil des sunnitischen Islams – weiter das Herz und schlicht und einfach den Menschen in seiner Ganzheit und Vielfalt. Und genau all diese Elemente seien nun mit den Lehren des Wahhabismus bekämpft worden, jener Strömung, die aus den Lehren Ibn Abd al-Wahhabs und seiner Anhänger im 18. und 19 Jahrhundert hervorging. Die Wahhabiten sahen in vielen Praktiken der Muslime eine Form des Aberglaubens, welcher bekämpft werden müsse. Die Religion sollte entmystifiziert und ideologisiert werden, d.h. dass die Lehre und Norm im Mittelpunkt stehen und nicht mehr der Mensch. Ali Ghandour erklärte es so, Zitat: [...] „Jede Religion braucht Elemente, die der Sphäre des Mystischen, Überrationalen und ja auch des Irrationalen angehören. Denn diese bilden dann eine der wichtigen Schutzschichten vor der Ideologisierung der Religion. In dem Moment, wo man meint, den gesamten „Islam“ rational verstanden zu haben, da könnte es böse enden. Denn wenn man nur in klaren rationalen Kategorien des Verstandes denkt und das Spirituelle und Subjektive ignoriert, dann wird das Mystische zum Feind, Ein einem Feind, welchen man beseitigen, bekämpfen und wenn nötig ausrotten soll. Die frühe Geschichte der Wahhabiten ist voller Beispiele solch eines Wahnes. Aber auch das Wirken des sogenannten Islamischen Staats (IS) ist heute ein lebendiges Beispiel dafür, wie die Religion aussieht, wenn sie nur aus der Schrift und Ratio gedacht wird und die Vielfalt der Menschen, das Herz und Affekte aussortiert werden.“ Auch der deutsch-jordanische Journalist und Islamismus-Experte Yassin Musharbash wies darauf hin, dass Terroristen, die sich auf den Islam berufen, einer Ideologie anhängen und nicht mit einer praktizierten Religion verwechselt werden dürfen. In diesem Sinne – wenn zwischen dem Islam als Religion und Ideologie differenziert wird – kann nicht von einer Gefahr einer Islamisierung gesprochen werden. Dann nämlich darf diese Ideologie, die Gewalt rechtfertigt, nicht der Religion des Islams angerechnet werden. Vielmehr muss von einer Gefahr der „Ideologisierung“ gesprochen werden, egal welche politischen, religiösen oder sogar nichtreligiösen Standpunkte diese vertritt. „Ideologisierung“ in diesem Zusammenhang bezieht sich auf Lehren oder Normen, zu deren Anerkennung Menschen genötigt oder gezwungen werden. Oft werden Religionen oder auch andere Weltanschauungen von Ideologien unterwandert und verunglimpft. Auch muss bedacht werden, dass „Ideologien“ immer schon gezielt instrumentalisiert wurden, um die Völker zu teilen und schwach zu halten. Dies wurde von Kolonialisten und anderen Globalstrategen seit jeher geschickt ausgenutzt, um ihre Herrschaft auszuweiten und ihre Ziele zu verwirklichen. Mehr darüber und wie es die Ideologie des Wahhabismus geschafft hat, salonfähig zu werden und sich unter einer nicht zu unterschätzenden Zahl von Muslimen zu verbreiten, erfahren Sie, liebe Zuschauer, im Teil 2.
Sendungstext
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08.02.2016 | www.kla.tv/7670
Am 6. Februar 2016 fand in Dresden und weiteren europäischen Städten, der von Pegida und anderen „islamfeindlichen“ Bündnissen organisierte „Aktionstag“ gegen den politischen Islam sowie gegen die Aufnahme von Flüchtlingen statt. In Dresden sollen nach Angaben einer Forschungsgruppe rund 8.000 Menschen teilgenommen haben. Laut der deutschen Nachrichtenagentur "dpa" soll eine Gegendemonstration wesentlich lautstärker gewesen sein. Eines ist klar: Die Gefahr einer „Islamisierung Europas“ scheidet die Geister. Gemäß der "ZDFzeit"-Doku „Wie viel Islam verträgt Deutschland?“ vom 24. November 2015 zeigten Umfragen, dass die Hälfte der deutschen Bevölkerung Angst vor dem Islam habe. Im Zuge der aktuellen Flüchtlingskrise wachse wieder die Angst vor einer Islamisierung. Doch inwiefern ist die Angst vor einer Islamisierung gerechtfertigt und wie ist „der Islam“ eigentlich grundsätzlich zu verstehen? Im Laufe der Geschichte haben sich innerhalb des Islams zahlreiche Strömungen herausgebildet, die sich hinsichtlich ihrer religiösen und politischen Lehren unterscheiden – ja sogar widersprechen und bekämpfen. Grundsätzlich muss festgestellt werden: 1. Der Islam ist ein komplexes Gebilde, und 2. Islam ist nicht gleich Islam. Während die einen mit sogenannten Suren – d.h. Versen – aus dem Koran zitieren, die belegen sollen, dass der Islam nichts anderes als eine Religion des Schwerts und der Gewalt sei, lassen sich andere von Suren leiten, die den Koran in einem anderen Licht erscheinen lassen: Der Islam habe mit Gewalt nichts zu tun. Beispielsweise werden in einem Online-Artikel des deutschen Programms des iranischen Radio IRIB diejenigen Suren hervorgehoben, die beweisen sollen, dass der Islam keine Gewalt und keine Verbreitung von Furcht und Schrecken befürworte. Eine hilfreiche Differenzierung machte der marokkanisch-stämmige Ali Ghandour. Ghandour studierte an der Universität Leipzig Arabistik und Politikwissenschaft mit Schwerpunkt Islamwissenschaft. Seit 2012 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter im Zentrum für Islamische Theologie in Münster, kurz ZIT. Ghandour unterscheidet zwischen dem Islam als Religion einerseits und dem Islam als Ideologie anderseits. Der religiöse Islam beinhalte folgende Aspekte: überrationale, irrationale, emotionale, das „Sufitum“ – d.h. eine mystische, spirituelle Orientierung als untrennbarer Bestandteil des sunnitischen Islams – weiter das Herz und schlicht und einfach den Menschen in seiner Ganzheit und Vielfalt. Und genau all diese Elemente seien nun mit den Lehren des Wahhabismus bekämpft worden, jener Strömung, die aus den Lehren Ibn Abd al-Wahhabs und seiner Anhänger im 18. und 19 Jahrhundert hervorging. Die Wahhabiten sahen in vielen Praktiken der Muslime eine Form des Aberglaubens, welcher bekämpft werden müsse. Die Religion sollte entmystifiziert und ideologisiert werden, d.h. dass die Lehre und Norm im Mittelpunkt stehen und nicht mehr der Mensch. Ali Ghandour erklärte es so, Zitat: [...] „Jede Religion braucht Elemente, die der Sphäre des Mystischen, Überrationalen und ja auch des Irrationalen angehören. Denn diese bilden dann eine der wichtigen Schutzschichten vor der Ideologisierung der Religion. In dem Moment, wo man meint, den gesamten „Islam“ rational verstanden zu haben, da könnte es böse enden. Denn wenn man nur in klaren rationalen Kategorien des Verstandes denkt und das Spirituelle und Subjektive ignoriert, dann wird das Mystische zum Feind, Ein einem Feind, welchen man beseitigen, bekämpfen und wenn nötig ausrotten soll. Die frühe Geschichte der Wahhabiten ist voller Beispiele solch eines Wahnes. Aber auch das Wirken des sogenannten Islamischen Staats (IS) ist heute ein lebendiges Beispiel dafür, wie die Religion aussieht, wenn sie nur aus der Schrift und Ratio gedacht wird und die Vielfalt der Menschen, das Herz und Affekte aussortiert werden.“ Auch der deutsch-jordanische Journalist und Islamismus-Experte Yassin Musharbash wies darauf hin, dass Terroristen, die sich auf den Islam berufen, einer Ideologie anhängen und nicht mit einer praktizierten Religion verwechselt werden dürfen. In diesem Sinne – wenn zwischen dem Islam als Religion und Ideologie differenziert wird – kann nicht von einer Gefahr einer Islamisierung gesprochen werden. Dann nämlich darf diese Ideologie, die Gewalt rechtfertigt, nicht der Religion des Islams angerechnet werden. Vielmehr muss von einer Gefahr der „Ideologisierung“ gesprochen werden, egal welche politischen, religiösen oder sogar nichtreligiösen Standpunkte diese vertritt. „Ideologisierung“ in diesem Zusammenhang bezieht sich auf Lehren oder Normen, zu deren Anerkennung Menschen genötigt oder gezwungen werden. Oft werden Religionen oder auch andere Weltanschauungen von Ideologien unterwandert und verunglimpft. Auch muss bedacht werden, dass „Ideologien“ immer schon gezielt instrumentalisiert wurden, um die Völker zu teilen und schwach zu halten. Dies wurde von Kolonialisten und anderen Globalstrategen seit jeher geschickt ausgenutzt, um ihre Herrschaft auszuweiten und ihre Ziele zu verwirklichen. Mehr darüber und wie es die Ideologie des Wahhabismus geschafft hat, salonfähig zu werden und sich unter einer nicht zu unterschätzenden Zahl von Muslimen zu verbreiten, erfahren Sie, liebe Zuschauer, im Teil 2.
von dd.
http://www.nachrichten.de/politik/Pegida-demonstriert-europaweit-fuer-Festung-Europa-aid_urn-newsml-dpa-com-20090101-160205-99-511941.html
http://www.nachrichten.de/politik/Tillich-setzt-auf-harten-Kurs-vor-Pegida-Aktionstag-aid_urn-newsml-dpa-com-20090101-160206-99-518402.html
https://presseportal.zdf.de/pm/wie-viel-islam-vertraegt-deutschland/
http://alighandour.tumblr.com/post/133268977817/die-krise-des-sunnitischen-islams-teil-3-der
http://www.taz.de/!5027800/
http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/buecher/rezensionen/sachbuch/abdullah-al-salmis-buch-religioese-toleranz-14023116.html?printPagedArticle=true#pageIndex_2
(Wer da will, der bleibe ohne Glauben) http://german.irib.ir/radioislam/beitr%C3%A4ge/weltbild-des-islams/item/250200-lehre-des-friedens-und-der-barmherzigkeit-1
http://www.uni-muenster.de/ZIT/Personen/Kolleg/personen_ghandour_ali.html
http://alighandour.tumblr.com/post/133268977817/die-krise-des-sunnitischen-islams-teil-3-der
http://www.srf.ch/news/international/schon-al-kaida-wollte-europaeische-grossstaedte-terrorisieren
http://querdenkende.com/2016/01/24/islam-fanatismus-oder-weltreligion-ein-interview-mit-yavuz-oezoguz/
(Interview mit Yavuz Özoguz)